Prachtbauten für Ex-Kolonialherren

Ein Bauboom in Burkina Faso symbolisiert den diesjährigen französisch-afrikanischen Gipfel, der heute beginnt. Themen: Der Krieg in Ostzaire und das Verhältnis zur Ex-Kolonialmacht  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Die Wüste lebt. Anläßlich des heute beginnenden französisch-afrikanischen Gipfels hat die Regierung des westafrikanischen Burkina Faso einen kompletten neuen Stadtteil aus dem Boden gestampft. „Ouaga 2000“ heißt das Mammutprojekt mit sternförmigem Grundriß zehn Kilometer von der Hauptstadt Ouagadougou entfernt. Zunächst steht das, was man für ein Gipfeltreffen so braucht. Zum Beispiel hundert Villen für Staatsgäste, jeweils auf Grundstücken von 2.000 Quadratmetern Größe. Fotos zeigen goldverzierte, weiße Monsterbauten im Schnörkelstil, umgeben von rotem Wüstensand.

Besonders monströs aber ist, daß 50 dieser Pharaonenbauten von der burkinabischen Sozialversicherung errichtet worden sind. Die betrachtet das als gelungene Investition, denn irgendwann gehen die Häuser zum Stückpreis von umgerechnet 300.000 Mark an ihre leitenden Angestellten. Das dauert aber noch: Denn nach dem Gipfel folgt Anfang 1998 der Afrika-Fußballpokal und im selben Jahr das Jahrestreffen der „Organisation für Afrikanische Einheit“.

Der Gipfelreigen bedeutet für Burkina Faso, eines der ärmsten Länder der Welt, einen beispiellosen Kraftakt. Denn neben dem Stadtviertel entstehen auch ein Fußballstadion und drei Großhotels. Und ein neuer Präsidentenpalast. Und Straßen. Normale Leute haben da das Nachsehen. Über versprochene Sozialwohnungsprojekte sagt das Bauministerium: „Die Arbeiten sind durch die Vorbereitungen des Frankreich-Afrika-Gipfels, die alle einsatzfähigen Arbeitskräfte beansprucht haben, in Verzug geraten und werden Anfang 1997 wieder aufgenommen. Über die Finanzierung wird zur Zeit verhandelt.“

„Wir wollen zeigen, daß uns Armut nicht daran hindert, große Projekte zu verwirklichen“, zitiert die Pariser Zeitschrift Jeune Afrique einen Berater von Präsident Compaoré. Burkina Faso will offenbar den „Afro-Optimismus“ unter Beweis stellen. Ebenso verkünden auch die Nachbarn Elfenbeinküste und Togo, die Zeit der afrikanischen „Renaissance“ breche an. Wachstumsraten von über fünf Prozent sollen das beweisen.

Beweisen sollen sie auch, daß Afrika seinen Weg notfalls auch alleine findet – ohne Frankreich. Die Sorge, daß sich die alte Großmacht aus ihrem „Hinterhof“ zurückziehen könnte, wird die Regierungen der frankophonen Staaten Afrikas einen, wenn sie in Ouagadougou mit Jacques Chirac konferieren. Der gilt zwar als Afro-Enthusiast – er hat den Kontinent in anderthalb Amtsjahren schon zweimal besucht – aber deutlich ist zu spüren, daß Frankreich sich auf Europa konzentriert. Französische Marktanteile im afrikanischen Handel gehen verloren. Pariser Entwicklungshilfe ist den Maßgaben von IWF und Weltbank und damit nach afrikanischer Sicht dem „amerikanischen Diktat“ untergeordnet.

Es könnte sogar sein, daß die Ära französischer Militärinterventionen zu Ende geht. Nachdem in Zaire Rebellengruppen eine Stadt nach der anderen eroberten, rief Frankreichs Regierung lautstark zu einem internationalen Truppeneinsatz auf, erklärte aber gleichzeitig, nicht selbst intervenieren zu können – obwohl französische Soldaten schon 1978, 1981 und 1991 dem Regime allein zu Hilfe gekommen waren. Nun hält sich Chirac zurück, obwohl das Mobutu-Regime so schwach ist wie nie und damit nach französischer Analyse gewichtige geopolitische Interessen auf dem Spiel stehen. „Mobutu und seine Armee können ohne französische Unterstützung nicht gewinnen, solange die Rebellen von Ruanda und Uganda unterstützt werden“, meint ein zairischer Beobachter. „Aber Chirac kann nicht offen zeigen, daß er Mobutu unterstützt.“

Damit enttäuscht Frankreich vor allem die Präsidenten zentralafrikanischer Länder, die Angst vor den regionalen Auswirkungen des Zaire-Konflikts haben. Vielleicht kommt ein Signal noch. In der Zentralafrikanischen Republik rebellieren derzeit zum dritten Mal in diesem Jahr Soldaten gegen den gewählten Präsidenten Ange- Felix Patassé. Bei der Revolte im Mai intervenierten die ständig stationierten französischen Soldaten und setzten einen neuen Premierminister ein. Diesmal beschränkt sich Paris auf Truppenverstärkungen. Wenn die Ermahnungen afrikanischer Präsidenten in den Villen von „Ouaga 2000“ laut genug sind, fühlt sich Chirac vielleicht zu mehr berufen. Zufällig beginnt auf dem anderen Ufer des Ubangi- Flusses, an dem die zentralafrikanische Hauptstadt Bangui liegt, das Staatsgebiet Zaires.