■ Kommentar: Ein Akt der Selbstachtung
„Wir müssen in diesem Theater gegen die allmähliche Erstarrung vorgehen“, sagte Einar Schleef kürzlich im taz-Interview. Und ließ genau an dem Tag, als das Interview erschien, eine Serie von fünf Vorstellungen seiner „Puntila“-Inszenierung am Berliner Ensemble platzen. Dafür wurde er am Dienstag fristlos entlassen. Wie man hört, forderte er andere Probenbedingungen für seine Inszenierung von Hauptmanns „Die Weber“. Denkt man an das Theater als funktionierendes Ganzes, muß man so etwas einen Erpressungsversuch nennen. Denkt man an einen Künstler, der das richtige Leben im falschen probiert und die bestmögliche Arbeit an einer Bühne leisten will, die ihm weder räumlich noch personell ideal erscheint, ist dieses Vorgehen von einer faszinierenden Radikalität.
Und man erinnert sich an Schleefs Engagement für seine „Faust“-Inszenierung, die er im Sommer 1993 im Schiller Theater erarbeitete. Er mobilisierte die Journalisten, ließ einzelne Szenen vor dem Theater und bei kulturpolitischen Diskussionen spielen. Scham und Schonung kennt Schleef nicht, wenn es um seine Kunst geht. Wer, wenn nicht er, wann, wenn nicht jetzt! Ein Idealist und Kämpfer für die Sache. Daß es seine eigene ist, kann nur jenen unfein erscheinen, die als Rädchen stets ein Getriebe brauchen. „Alles Schleef, Einar wacht“ betitelte die taz einmal eine Theaterkritik. Teamgeist hat er nicht. Tragbar ist er schwer. Aber in Sachen künstlerischer Selbstachtung macht ihm wohl keiner so schnell etwas vor. Petra Kohse
siehe auch Bericht auf Seite 16
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