Frachtgut nach Bosnien

■ Bayern schiebt erstmals eine Gruppe von 24 Kriegsflüchtlingen nach Bosnien ab. Abfertigung im Frachtzentrum des Münchner Flughafens sollte heimlich ablaufen

München (taz) – Bayern hat gestern die erste größere Gruppe von bosnischen Flüchtlingen abgeschoben. 21 Männer und drei Frauen wurden am Nachmittag mit einem eigens gemieteten Flugzeug nach Sarajevo gebracht. Nach den Plänen des bayerischen Innenministeriums sollte die Abschiebung möglichst heimlich ablaufen; deshalb wurden die Flüchtlinge in einem unzugänglichen Teil des Münchner Flughafens abgefertigt, in dem sonst nur Frachtgüter verladen werden.

Die bevorstehende Abschiebung der Bosnier war am Montag bekannt geworden. Im Petitionsausschuß des bayerischen Landtags wollte die Vertreterin von Innenminister Günter Beckstein (CSU) einen Appell des Flüchtlings Mirzet Cakor besonders schnell erledigen lassen, weil dieser gemeinsam mit einer größeren Gruppe am nächsten Tag abgeschoben werden sollte.

Trotz der Nachrichtensperre des Innenministeriums wurde damit gestern nachmittag immerhin die Biographie eines Flüchtlings bekannt: Der 30jährige Muslim Cakor war 1993 nach Bayern gekommen und hatte zuletzt in Fürth als Sozialhilfeempfänger gelebt. Daß in Cakors Heimatstadt Zvornik fast keine Muslime mehr leben und er Angst um sein Leben hat, wenn er in serbisch besetztes Gebiet zurückkehrt, interessierte den Petitionsausschuß des Landtages nicht: Mit Stimmen von CSU und SPD wurde Cakors Appell abgelehnt. Ein Flüchtling konnte seine Abschiebung offensichtlich im letzten Moment verhindern, so Martina Oswald vom Flughafensozialdienst. Die anderen Flüchtlinge seien pünktlich um 13.54 Uhr mit dem Charterflug „Ratio 027“ abgeschoben worden.

Keiner der 24 Flüchtlinge, von denen zwei aus Baden-Württemberg stammten, hatte mehr als einen Koffer oder eine Nylontasche dabei, so Martina Oswald: „Ihre Stimmung war ziemlich verzweifelt, weil kaum jemand wußte, wohin er in Sarajevo sollte.“ Mehrere hätten sich beklagt, daß ihnen die Polizei ihr Bargeld bis auf 400 Mark abgenommen hatte, um die Abschiebung zu finanzieren: „Sie fühlten sich zweimal bestohlen – erst in ihrem Heimatland, dann jetzt in Deutschland.“ Nach der Abschiebung erklärte Innenminister Beckstein, daß man „mit Augenmaß“ ausschließlich Straftäter und Sozialhilfeempfänger abgeschoben habe. Außerdem sei die bosnische Regierung an den Flüchtlingen wegen ihrer Berufe interessiert und wolle für deren „Erstunterbringung“ sorgen. Auch Vertreter der deutschen Botschaft in Sarajevo hätten „die Ankunft beobachtet“, so Beckstein.

Insgesamt wurden damit bisher 35 Menschen aus Bayern nach Bosnien abgeschoben. Bis Januar 1997 will der zufriedene Beckstein nun keine „größere Gruppe“ mehr abschieben lassen. Die bayerische Grünen-Vorsitzende Ruth Paulig bezeichnete die Abschiebungen als zutiefst inhuman und einen Verstoß gegen das Friedensabkommen von Dayton. Die Rückführung mache das „Pharisäertum und die Scheinheiligkeit“ von Beckstein deutlich: „Auf der einen Seite legt er sich als Mitglied der Landessynode der Evangelischen Kirche einen christlichen Schafspelz um, auf der anderen Seite vergißt er sämtliche christlichen Grundsätze und schiebt hemmungslos ab.“ Felix Berth

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