Mit den Freiwilligen auf Du und Du
: Spaß statt Ehre

■ Internationationaler Tag des Ehrenamts: Ein Jahr Freiwilligen-Agentur in Bremen

Ehrenamt? Ich bin doch nicht blöd. Sagt der Mensch von heute und ist der Ehrenamtmuffel, den die großen Wohlfahrtsorganisationen und Sportvereine beklagen. Ohne Geld, aber nicht umsonst - damit wirbt eine Bremer Ehrenamtlichenagentur für sich, die aber den Begriff „Ehrenamt“ scheut wie der Teufel das Weihwasser. Die „Freiwilligen-Agentur Bremen“ geht davon aus, daß die Welt und insbesondere Bremen voll ist von Menschen, die sich freiwillig engagieren würden - man muß sie nur nett ansprechen, sie nicht religiös oder ideologisch oder auf Lebenszeit festlegen wollen und etwas bieten: Spaß, Kommunikation, Lob und Dank. Die „Freiwilligen-Agentur Bremen“ durfte gestern auf genau ein Jahr einschlägiger Erfahrungen zurückblicken - am 5. Dezember 1995, dem „Internationalen Tag des Ehrenamts“, nahm sie offiziell ihre Arbeit auf.

Zwei Aktivitäten zeichnen den kleinen Vierpersonenbetrieb mit Büro am Dammweg 18-20 aus: Man bringt als Agentur Willige und suchende Organisationen in Kontakt; und man berät letztere im pfleglichen Umgang mit Freiwilligen. Manchmal reichen nämlich schon ein nettes Wort, eine Einladung zur Betriebsfeier oder eine Geburtstagskarte zur rechten Zeit, um die Ehrenamtlichen ans Haus zu binden. 140 Organisationen, teilt das Geburtstagskind mit, finden sich schon in der Kartei. Man konnte sieben Beratungsprojekte und acht Weiterbildungsseminare durchführen und hielt 34 Vorträge.

Im ersten Jahr riefen 350 Bremer (überwiegend, doch, ja, immer noch: Bremerinnen) an. Die Vermittlungsquote ist nicht bekannt, da die Agentur nicht verfolgt, ob die Vermittlungen tatsächlich zustande kommen. Neben den klassischen Bereichen der Wohlfahrtspflege lockt man auch junge Leute an mit Jobs bei Werder Bremen (Handballjugend-Betreuung), beim Naturschutzbund Mabu („Lust auf Filmen in der Natur?“) oder im Theater (Souffleur/Souffleuse gesucht). Renner im Sozialbereich sind die Telefonseelsorge, die Hospizbewegung, das Eltern-Streß-Telefon usf. Aktuell kann die Agentur etwa 100 verschiedene Jobs in 52 Organisationen anbieten.

Chef der Agentur ist der gelernte Erwachsenenbildner Heinz Janning (49), in Personalunion Leiter des Sozialen Friedensdienstes Bremen (SFD). Das ist kein Zufall: Die Idee zur Freiwilligen-Agentur kam den Mitarbeitern des SFD, als sie im Zusammenhang mit der Debatte um eine Abschaffung des Zivildienstes begannen, sich Sorgen um ihre berufliche Zukunft zu machen. Immerhin hatten sie in ihrer 25-jährigen Geschichte viel gelernt über den Umgang mit Organisationen und Engagement. Das Know-How war die Basis der neuen Agentur.

Derzeit hängt denn auch die Freiwilligen-Agentur fast ganz am Tropf des SFD. Geldeinnahmen erhofft sich Janning allerdings durch die ausgedehnte Beratertätigkeit. Tips aus Bremen sind bundesweit gefragt: Anfragen kamen von der AIDS-hilfe Berlin, einem Mieterverein in Dortmund und der Volkshochschule Peine.

Daß Familienministerin Claudia Nolte die Agentur schon zweimal besucht hat, weist darauf hin, daß solche Einrichtungen für die Politik interessanter werden, je mehr gespart werden muß. Die Bremer wissen um die Gefahr, daß freiwilliges Engagement mißbraucht werden könnte. „Wir wollen keineswegs aktiv in den Arbeitsmarkt eingreifen“, sagt Heinz Janning. Wo die Grenzen der Agentur sind, muß noch bestimmt werden. Doch es gibt sie: Als eine Schule anklopfte, in der regelmäßig Kunst und Sport ausfielen, sagte die Agentur: „Machen wir nicht!“

BuS