Das Großmutter-Komplott

■ Wenn alle in der Familie alles auf einmal wollen

So ist das, wenn Kinder in die Jahre kommen und mit glasklarem Blick erkennen, was das Problem ihrer Eltern ist: Midlife crises! So ist das, wenn Kinder ihre Umgebung analysieren und mit geschärftem Verstand über die Torheiten der Erwachsenen ihr Urteil sprechen. Für Eltern kommt die Erkenntnisfähigkeit ihrer Kinder oft überraschend. Plötzlich ist das Ei klüger als die Henne.

Charlotte ist so ein Ei und möchte lieber heute als morgen ihre eigene Henne sein. Aber die Mutter denkt gar nicht daran. Sie braucht Charlotte als Babysitter für die nervtötenden Zwillinge, als Haushaltshilfe und Blitzableiter für die Wut über ihr verpfuschtes Leben. Alles würde sie dafür geben, endlich wieder arbeiten gehen zu können. Der ständig Überstunden machende Vater stellt sich verständnislos: „Warum nur sind die Frauen mit ihrer Rolle so unzufrieden? Dabei sind sie doch am Puls des Lebens und der Macht.“ Er weiß eben nicht, wie anstrengend das ist. Und dann bekommt die Mutter ihre Chance.

Für zwei Jahre kann sie einen Buchladen übernehmen. Doch Kindergartenplätze gibt es nicht. Charlotte streikt, sie will nicht mehr, sondern weniger im Haushalt tun. Sie ist verliebt, und die Schule gibt es schließlich auch noch. Der Vater ist sowieso dagegen.

Da bekommt Oma eine Chance. Seit Opas Tod fühlt sie sich einsam und zieht mit Freuden ein. Allerdings hat man ihr den wahren Grund verschwiegen. Doch schon bald wird klar, daß Oma empfindlich ist und auf Anmache mit Krankheit antwortet. Charlotte schwant Böses, und bevor die ganze Sache doch noch an ihr hängenbleibt, holt sie die zweite Oma aus der Versenkung.

Die lebt in einer Laubenkolonie, war einmal eine rote Socke und muß als Erziehungsberechtigte auch ihre Schandtaten auf dem Kerbholz haben. Jedenfalls wird von ihr nie gesprochen. Doch das ist Charlotte egal. Wenn sie nur endlich ihr Leben leben kann. Aber auf die Idee kommen die beiden Omas auch. In letzter Minute erzwingen äußere Umstände eine Lösung, bei der alle gut fahren, und man könnte sich fragen: „Warum nicht gleich so?“

Ganz anders ist da der kleine Liebesroman von Benno Pludra. „Der Inselsommer zirpt und summt, blinkt aus dem Bodden, flammt im Spalier der Königskerzen.“ Die Sätze klingen, nach und nach kriegt der Sommer ein Lied. Ein paar Mißtöne gibt es auch. Berliner machen sich am Strand breit, baden nackt und tanzen wild und machen den Inselteenie Haik an. Benno plagt die Eifersucht. Die Berliner suchen nur eine Freundin für den Urlaub, aber dafür scheint ihm die wunderbare Haik viel zu schade. Haik ist nicht immer seiner Meinung und bräuchte wohl auch keinen Aufpasser. Sie weiß schon, was sie will.

Das Buch verströmt einen altmodischen Charme in seinem Beharren auf unzeitgemäße Tugenden. Nacktbader taugen heute nicht mehr zum Bösesein, und ausgefallene Berufe wie Tänzer wohl auch nicht. Und doch ist es schön, die Geschichte zu lesen, so wohltuend ruhig und melodisch. Peter Huth

Martina Dierks: „Das Oma-Komplott“. Altberliner Verlag. Berlin, München 1996, ab 14 Jahre, 26 DM

Benno Pludra: „Haik und Paul“. Der Kinderbuch Verlag. Berlin 1995, ab 13 Jahre, 16,80 DM