Nachträglich abgesegnet

■ Der Bundestag beschließt genetischen Fingerabdruck

Mitte der 80er Jahre wurde die DNA-Analyse erstmals in den USA unter dem Namen „Genetic Fingerprinting“ angewandt. Dieser englische Ausdruck markiert den Zweck – die Identifizierung von Personen durch die Strafverfolgungsbehörden. Im August 1988 akzeptierte auch ein Berliner Gericht das neue Verfahren. Seither wurde die DNA-Analyse von deutschen Gerichten mehrfach akzeptiert, und es gibt einen Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes. Demnach dürfen zur Aufklärung schwerer Verbrechen serienweise Blutproben bei potentiellen Tätern auch ohne hinreichend starken Tatverdacht angeordnet werden.

Mit dem gestern verabschiedeten Gesetz zur DNA-Analyse haben Koalition und SPD im Grunde nur sanktioniert, was Polizei und Justiz längst vollziehen. Diese Art nachträglicher Verrechtlichung ist leider üblich geworden. Den Warnungen von Strafrechtlern, Wissenschaftlern und Datenschützern versucht die „Große Koalition der (Un)Sicherheit“ mit Vorbehaltsklauseln zu begegnen: So sollen die Datenschutzbeauftragten die Gutachter überwachen können, nicht mehr benötigtes Material muß vernichtet und Hinweise auf Erbanlagen dürfen nicht untersucht werden.

Die Befürchtungen um eine weitere Aushöhlung des Persönlichkeitsschutzes können damit nicht ausgeräumt werden. Noch gut in Erinnerung ist eine zwangsweise Blutentnahme bei 39 Roma-Frauen im April 1995, um die Mutter eines ausgesetzten Säuglings zu ermitteln. Oder der Fall eines Mordverdächtigen, der nach 164 Tagen entlassen werden mußte, weil sich herausstellte, daß das zu „99,9999 Prozent“ sichere DNA-Verfahren unkorrekt durchgeführt worden war. Solche Befürchtungen werden auch genährt, weil das Gesetz keine DNA-Datenbank verbietet. In den USA, Großbritannien, Norwegen, den Niederlanden und der Schweiz bestehen solche Banken bereits. Warum sollte die BRD darauf verzichten, in diesem Bereich der Kriminaltechnik nicht in die internationale Spitze aufzurücken? Das ist offenbar nicht beabsichtigt, denn die präventive Speicherung genetischer Daten soll in einem eigenen Gesetz geregelt werden – offenbar wieder per „nachträglicher Verrechtlichung“. Otto Diederichs

Der Autor ist Redakteur des Informationsdienstes Bürgerrechte und Polizei/CILIP