Allmacht im Gegenschuß

■ Hinrich Schultze zeigt Bilder aus der Welt der Spiel- und Daddelhöllen

Als „Terminator“, „Alpha II“ oder „Mad Dog“ spielen sie Herr über Leben und Tod oder kämpfen gleich ums ganze Weltall. Ab einer Mark aufwärts ist man – die Fans von Automatenspielen sind in der Mehrheit männlich – dabei, wenn's in der Spielhalle virtuell ums Existentielle geht, ob im Raumschiff, im Rennwagen oder auf der schwankenden Motorradattrappe.

Diese Scheingefechte bei voller Konzentration hat der Fotograf Hinrich Schultze, der seit 20 Jahren mit seiner Kamera vor allem politische Bewegungen, soziale Kämpfe und den Alltag in der Republik begleitet, in vergangener Zeit immer wieder in Spielhöllen beobachtet. Gut zwei Dutzend seiner Momentaufnahmen zeigt nun die Ausstellung Bis der letzte Joystick bricht... in der Kontakt- und Drogenberatungsstelle Kodrobs.

Daddelhallen in Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Frankreich und England hat Schultze inspiziert und bei diesen Aufnahmen eine Art Gegenschuß kultiviert: Meistens hat er das Objektiv fast direkt in die Mündungen der Spielzeuggewehre gerichtet. Die Szenen der ins virtuelle Töten versenkten Menschen an den Maschinen wirken, als beobachte man sie durch einen geheimen Sehschlitz. Wurde der Fotograf bei der Arbeit nicht gesehen? „Die sind so am Kämpfen, daß die mich gar nicht wahrnehmen“, sagt Schultze, dafür berühmt, im unerwarteten Moment auf den Auslöser zu drücken.

Da sehen Oma und Opa ihren Enkeln, die noch etwas skeptisch die ersten Schüsse an der Maschine tun, stolz über die Schulter. Ganz versunken in Allmachtsphantasien wirkt ein Jugendlicher mit der Laserpistole im Anschlag. Er steht – aufgenommen in einem Pariser Spielsalon – vor einem Fenster, kein Automat ist zu sehen, nur das fingerdicke Kabel läßt erkennen, daß es sich bei der Waffe um ein Spielzeug handelt. Da rahmen Vater und Mutter auf einem Motorrad ihre beiden Kinder wie im klassischen Arrangement eines Genrebilds. Auf einem anderen Foto fegt ein Mann im Overall mit dem Handbesen den ganz terrestrischen Staub vom Fußbrett eines „Alpha II“.

Sehenswert sind die Momentaufnahmen zwischen Schrecken und Komik für alle, denen Träume davon, die Welt zu vergessen und sich in ein Spiel versenken zu können, nicht ganz fremd sind. Und sie zeigen, mit welchen Maschinen aus solchen Träumen trefflich Kapital geschlagen wird.

Hinrich Schultze ist ein Starfotograf, nicht weil er Stars fotografiert oder einen Zopf trägt. Die Stars sind die Fotos, man kann sie lange ansehen, viel darin entdecken und sich stundenlang darüber unterhalten. Deswegen leiht Hinrich Schultze die Ausstellung Bis der letzte Joystick bricht ... gerne an weitere Beratungsstellen und ähnliche Einrichtungen aus (

Julia Kossmann

Kodrobs, Hohenesch 13-17, Mo, Di, Do, Fr, 10-19 Uhr, im 1. Stock; bis Frühjahr '97