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"Liebe taz..." "Junkie-Jogging" - betr.: Polizei und BSAG gehen gegen Dealer rassistisch vor, taz vom 22.11.1996

Betrifft: „Polizei und BSAG gehen gegen Dealer rassistisch vor“ vom 22.11.96 und Leserbrief von Reinhard Werner

Lieber Herr Werner, es ist sehr schön, daß Sie immerhin noch einen latenten Rassismus erkennen, wo in Deutschland jeden Tag irgendwo ein Ausländer zusammengeschlagen oder ermordert wird. Daß daran aber die schwarzen Drogendealer schuld sind, ähnelt der Behauptung, Juden seien alle Geld-raffer und müßten sich deswegen über dan Antisemitismus auch nicht wundern.

Ähnlich verhält es sich heute mit den Flüchtlingen. Sie werden in Sammelunterkünften konzentriert, eine Arbeitserlaubnis wird ihnen verweigert und das ihnen zugeteilte Taschengeld reicht zum Leben kaum aus.Weiterhin sollte jedem, der sich öfters im Viertel oder am Bahnhof aufhält, klar sein, daß es sich bei den schwarzen Dealern um Kleinstdealer handelt, die wirklich nur die Süchtigen beliefern, um sich ein Zubrot zu verdienen. Sie sind es somit auch wohl kaum, die – das Horrorbild deutscher Elternpaare – Kinder in Schulen anfixen wollen, weil sie sich dort kaum aufhalten.

Mir wird jedenfalls immer deutlicher, daß die Bremer Polizei hier das aus Zürich bekannte „Junkie-Jogging“ einführt, was Kleindealer und Junkies von den öffentlichen Plätzen der Konsummeile Innenstadt fernhalten soll und sie in die umliegenden Bezirke abdrängt. Daß dieses Konzept den Drogenhandel nicht vermindert, ist aus anderen Städten bekannt.

Nun zur BSAG: Ich fahre ständig mit den Linien 2, 3 und 10 und habe natürlich auch schon so manchen Deal mitansehen können. Ich habe es aber noch nie erlebt, daß ein Schwarzer irgend jemanden anmacht, Drogen aufgedrängt oder gar bedroht hätte. Zudem wird das Beförderungsverbot für Schwarze von der BSAG auf Anraten der Polizei – wie in der Frankfurter Rundschau, aber nicht in der taz nachzulesen ist – auch gegen Leute verhängt, die noch nie mit Drogen angetroffen wurden, geschweige denn, daß gegen sie ein Ermitt-lungsverfahren laufen würde.

So gelingt es der Polizei, mit Hilfe der BSAG, an der Justiz vorbei ein Bestrafungsinstrument für Schwarze aufzubauen und mit Hilfe des Beförderungsverbots gelingt ihnen vielleicht auch bald die Ghettoisierung in Randbezirken.

Marc Büggel

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