: Biedenkopfs Brechstange
Sachsens oberster Medienwächter, Otto Altendorfer, möchte nicht nur die Kontrolle des privaten Rundfunks abschaffen, sondern 3sat und arte am liebsten gleich mit ■ Von Clemens Caspary
Dresden (taz) – Noch am Tag nach der Versammlung der Sächsischen Landesmedienanstalt (SLM) stand Carmen Rosenthal das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. „So schlimm hatten wir es uns nicht vorgestellt“, sagt die Vorsitzende der SLM, die für die Kontrolle der Privatsender zuständig ist. Das Gruseln hatte sie Otto Altendorfer gelehrt – seit rund einem halben Jahr oberster Medienwächter des Freistaates.
Altendorfer, der als Chef eines neugeschaffenen (und sehr umstrittenen) Medienrats alle wesentlichen Machtbefugnisse von der Versammlung übernahm, hatte vor deren Vertretern soeben sein medienpolitisches Glaubensbekenntnis abgelegt. Und das kennt nur ein Wort: Markt. Altendorfer blende den Kulturauftrag der Medien total aus, klagt Rosenthal. „Gerade im Osten, wo die Leute einen hohen Anspruch an Medien haben.“
Der 37jährige Bayer stand bei der Wahl des Medienrats ganz oben auf der Wunschliste der mit absoluter Mehrheit ausgestatteten CDU-Landtagsfraktion. Der frühere Medienreferent im Bonner Konrad-Adenauer-Haus und Manager des ultraseichten Berliner Dudelfunks Hundert,6 soll auch Sachsens Medienpolitik auf Vordermann bringen.
Schon in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit teilte Altendorfer, der sich dank einer Stelle an der Provinz-Fachhochschule Mittweida mit einem Professorentitel schmücken darf, nach allen Seiten aus. Zunächst mit seiner Forderung, die Landesmedienanstalten von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu fusionieren, später verprellte er den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), dem er einen Verdrängungswettbewerb zu Lasten der Kommerzfunker vorwarf. Ein wahrer Proteststurm schlug Altendorfer entgegen, als er bekanntgab, daß die öffentlich-rechtlichen Kulturprogramme arte und 3sat fortan in Sachsen nicht mehr zur Grundversorgung gehören sollen und sich dem freien Wettbewerb (auch um die Kabelplätze) zu stellen hätten. Dieses Ansinnen war selbst einflußreichen Mitgliedern der Regierungsfraktion zuviel, dabei hätten sie Altendorfers Crashkurs vorausahnen können, hatte sich doch schon in einer Novelle des sächsischen Privatrundfunkgesetzes die bundesweit konsequenteste Deregulierung der Medienlandschaft zugunsten der Privatwirtschaft angekündigt. Mittlerweile ruderte der CDU-dominierte Medienrat etwas zurück: Die Entscheidung sei nur als „allgemeine medienpolitische Auffassung“ zu interpretieren, außerdem sei die Sächsische Landesmedienanstalt für Kabelzulassungen ohnehin nicht mehr zuständig. Die SPD sieht in solch moderaten Tönen allenfalls eine Nebelkerze. Für das von der SPD-Fraktion entsandte Medienratsmitglied Wolfgang Marcus (den früheren Vorsitzenden des abgeschafften SLM- Verwaltungsrates) bleibt CSU- Mitglied Altendorfer der verlängerte Arm des Medienmultis Leo Kirch. Seine Aufgabe sei es, vor allem in der ehrwürdigen Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten als „Brechstange“ zu fungieren.
Tatsächlich bietet sich den Predigern des Hardcore-Kapitalismus Biedenkopfs Musterland auch als medienpolitisches Testfeld an, auf dem Altendorfer nun die völlige Abschaffung der Landesmedienanstalten und mit ihnen der Kontrolle des Kommerzfunks anpeilt. Den Vorwurf, ein Nestbeschmutzer zu sein, nimmt er sogar bereitwillig hin. Er weiß zwar, daß die Bundesländer die aus dem Rundfunkgebührentopf großzügig alimentierten Landesmedienanstalten nicht ohne Not aufgeben werden, aber dann sollen sie wenigstens „als Dienstleister für einen wichtigen Wirtschafts- und Kulturzweig“ fungieren. Wobei die Betonung auf ersterem liegt.
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