Eine unwürdige Affäre

■ Nach dem Ende des Fernsehsenders Sport7 suchen die niederländischen Fußballklubs vergeblich nach einem Ausweg

Amsterdam (taz) – Gemurmel. Gedränge von Männern mit Zigarren und in grauen Anzügen. Die Präsidenten der niederländischen Profifußballklubs treffen sich im Zentrum des Verbandes KNVB in Zeist zur neuesten Krisensitzung. Ajax-Chef van Praag fehlt aber am Montag abend ebenso wie Feyenoord-Boss van den Herik. KNVB-Chef Jos Staatsen sollte eigentlich offiziell zurücktreten. Er fehlt auch. Wegen eines Hexenschusses. Grund des Treffens: Der Fernsehkanal Sport7, als Rechteinhaber wichtigster Geldgeber der Ehrendivision, ist bankrott und sendet seit Sonntag nicht mehr. Mehr noch: Ajax und Feyenoord stellen per Presseerklärung ein Ultimatum: Der KNVB dürfe fortan nur noch Zusammenfassungen verkaufen, über die Liveübertragungen verhandle man selbst.

Den einst großen Vorsitzenden Staatsen sah man zuletzt blaß und kurz vor dem Platzen. Staatsen (53), zwischen 1985 und 1991 Bürgermeister Groningens, hatte im Februar auf einer kurzen Versammlung eine folgenreiche Revolution durchgepeitscht. Statt „wie immer“ die Fußballrechte an den öffentlich-rechtlichen Sender NOS zu vergeben, kündigte er stolz strahlend an: „Wir werden etwas Neues machen.“ Das Neue war Sport7 und, so dachten bis auf zwei der 36 Klubpräsidenten, ein Milliardendeal. Anteilseigner Philips, ING Bank, Postholding KPN, TV- Produzent Endemol und Willem van Kooten versprachen auf sieben Jahre jedem Klub jährlich 2,9 Millionen Gulden (etwa 2,6 Millionen Mark). Partner für Partner sprang ins Boot, vor allem Philips hatte in Sport7 eine Goldmine gewittert. Der niederländische Elektronikkonzern ist im Fernsehfußball-Geschäft an allen Fronten aktiv: Philips produziert Fernseher, hält Anteile an TV-Kabelgesellschaften, sponsert Tabellenführer PSV (Philips Sport Verein) Eindhoven und neuerdings auch Ajax.

Im August begann Sport7 zu senden. Nichts klappte. Die Bilder wackelten, einmal vergaß man zwei von drei Toren aufzuzeichnen, der Sendebeginn war nicht mehr der von einst (statt 18.45 Uhr nun 20 Uhr), die Präsentatoren langweilten. Dann knipsten von Stadt zu Stadt die Kabelgesellschaften Sport7 die Lichter aus. In Amsterdam sollten die Menschen einen Dekoder zu 19,50 Gulden mieten – Sport7 war in einem Extrapaket mit Porno und China-Business-News. In Den Haag ließ die Kabelfirma abstimmen – die Haagenesen verzichteten und wählten den Konkurrenten Eurosport. In Rotterdam war es ebenso. Zuletzt waren die Marktanteile des Senders kaum noch meßbar.

Zuletzt schleppte Präsident Jorien van den Herik den KNVB vor den Richter, weil Feyenoord, wie Ajax, die Rechte seiner Heimspiele selbst verkaufen will. Sport7 mußte um seine attraktivsten Spiele fürchten.

Das war, fand Philips, genug. Seit Sendestart war ein Verlust von knapp 250 Millionen Mark entstanden. Dem gegenüber steht eine Bankgarantie von 162 Millionen. Am Sonntag gegen Mitternacht zogen Techniker den Stecker im Regieraum. Am Montag abend sagte Thomas Notermans, Sprecher von Endemol: „Wir wissen nicht, wie es weitergeht. An einem TV-Sender beteiligen wir uns nie wieder.“ Bleiben noch die 220 Mitarbeiter von Sport7. Die Hälfte ist bei Endemol Sports auf der Lohnliste.

Das Ganze scheint eine aparte Mischung aus Überheblichkeit und Dilettantismus zu sein. Selbstkritisch gibt Notermans zu: „Vor dem Start von Sport7 gab es in der Tat keine Marktuntersuchung.“ Daß Zuschauer bereit seien, für Fußball zu zahlen, wurde vorausgesetzt. Die Frage der Qualität schien vernachlässigenswert. Es kam aber alles anders: Vor einem Jahr sahen durchschnittlich 2,5 Millionen Menschen Fußball, zuletzt waren es 1,5 Millionen. Damit blieben auch die Werbeeinnahmen aus.

Montag abend in Zeist wurde einigen Präsidenten kalt und heiß. Die Mehrheit der 36 Profiklubs hat die versprochenen 2,9 Millionen Gulden verplant, überwiesen wurde nur die Hälfte. Mehr wird nicht mehr kommen, statt jährlich 140 Millionen Gulden wird NOS wahrscheinlich zusammen mit RTL oder SBS6 nur die Hälfte springen lassen. Das ist das Ende von Staatsen und womöglich auch das Ende einiger Miniklubs.

Samstag ist erst einmal das Länderspiel gegen Belgien, in zwei Wochen dürfen dann die Gebührenfunker wieder übertragen. Jan Timmer, Ex-Chefsanierer von Philips und zuletzt Präsident-Kommissar von Sport7, giftet: „Diese Affäre ist eines ordentlichen Landes unwürdig.“ Falk Madeja