Formmodell Pop-Tycoon

■ Teddy Rileys New-Jack-Swing-Band Blackstreet schafft die perfekte Nummer

„Man don't cry – they sing“, hieß in den frühen Achtzigern eine Schrabbelnummer von einem dilettierenden Rockpoeten, dessen Name verloren ging. Weise gesprochen, dachte man damals und erinnerte sich an die Crooner und Pailletten-Jacket-Kuschel-Entertainer von Sam Cooke bis Marvin Gaye, an die häßlichen Weißen bei Gruppen wie Yes oder Supertramp oder an tragische deutsche Tränenrührer wie Bata Illic oder Adamo.

Hat sich im Bereich Schlager und Softrock hieran nicht viel geändert (siehe Wolfgang Petry oder Phil Collins), so macht sich im zeitgenössischen Rhythm 'n' Blues seit einigen Jahren eine Aura vom Souler als Vorstandsvorsitzendem breit. Von MC Hammer über Bobby Brown bis zum vorliegenden Fall Teddy Riley hat sich ein Formmodell Popstar etabliert, das so professionell über Liebe und Sex singt, daß der Anteil des Geschäfts am Pop nie ungeklärt bleibt. Seitdem dieses Bild etabliert ist, wirken junge Schmalzbrocken, die sich noch an den alten weinenden Heroen aufrichten, wie aufgeschlagene Weicheier, die unter der Last ihrer Goldketten mehr vor Schmerz als vor Sehnsucht schön zu singen scheinen.

Der Produzent/Komponist/Sänger Teddy Riley hat zwar auch bei den singenden Omelettes die Hand an den Rührern – sein „New Jack Swing“ und seine Zweitband Guy sind ja vom Grundrezept her durchaus geeignet für den Austausch von Körperflüssigkeiten bei Kerzenlicht –, aber der Mann selbst und seine Band Blackstreet sind seit zwei Jahren die neue Hausnummer für Macho-Soul ohne jeden kommerziellen Selbstzweifel.

Das neue Album – mit allem Unternehmerstolz Another Level getauft – zeigt Soul von seiner beherrschten Seite für Leute, die davon träumen, daß die Welt des Videos einmal die wirkliche Welt werde. Ein Globus, der nur Platz für zwei Männer- und zwei Frauentypen hat – graue Eminenzen oder coole Mucki-Typen auf der maskulinen, eiskalte Schönheiten oder leicht beschürzte Tanzmäuse auf der femininen Seite –, taugt aber nur für Drei-Minuten-Happen.

Die können dann aber wie blühende Palmen auf dem Komposthaufen des Sexismus stehen: No Diggity, die neue Single von Blackstreet, ist eine Soul-Funk-Nummer, wie man sie besser einfach nicht machen kann. Cool, slicky und mit einer Melodie gesattelt, die nie mehr aus dem Gehirn fortgeht. Wunderbar – und garantiert tränenfrei.

Till Briegleb

So, 15. Dezember, 21 Uhr, Große Freiheit