Die Whoopi-Wahrheit

■ Vorstoßen zum immer weichen Keks: „Bogus“

Der Feldwebelton, die übertrieben verzogene Schnute, der Holzfällergang, das immergleiche Getue von weichem Kern unter rauher Schale, die stets stereotyp aufgerissenen Kulleraugen, die eckigen Gesten, der fehlende Sex – ist Whoopi Goldberg eine Karikatur? Unter der schnodderigen, abweisenden Oberfläche will sie gemocht, erhört, geliebt werden, und man muß sie einfach gern haben.

In vielen Goldberg-Filmen gibt es diese Dramaturgie der Entdeckung, der Expedition zum wahren Charakter, die ihre Umwelt früher oder später vollziehen muß, seien es nun frustrierte Nonnen, weiße Gebrauchtwagenhändler oder ein ganzes Baseballteam.

Im Warner-Weihnachtsschinken „Bogus“ sieht sich ein kleiner Waisenjunge dem Sog der Whoopie-Wahrheit ausgesetzt. Nachdem der siebenjährige Albert seine Mutter bei einem Autounfall verloren hat, wird er entsprechend deren letztem Willen zu ihrer Pflegeschwester Harriet (Whoopi Goldberg) gesteckt. Wie es eine Mutter ihrem Kind antun kann, von diesem genervten Drachen erzogen zu werden, ist allen Beteiligten, inklusive dem Zuschauer, unbegreiflich. Kollektiv wird man sich einmal mehr auf eine anderthalbstündige Goldberg-Exkursion begeben, gemeinsam mit dem Kleinen die Qualitäten des barschen Derwischs ermitteln. Zur Erkenntnisbeschleunigung schwirrt Bogus durch den Film, eine Art verfetteter Wunderlampengeist für Kinder, gespielt von Gérard Depardieu. Auch französische Zirkuszauberer und Tänzerinnen (Ute Lemper im Taftröckchen) bevölkern die Szenerie, formieren sich zur glitzernden Scheinwelt, die nur dazu da ist, von echter, aber verborgener Goldberg-Gutherzigkeit in Caterpillar-Manier über den Haufen gerannt zu werden.

In einer besondes peinlichen Szene tanzt Mrs. Goldberg, die dafür offensichtlich abgespeckt hat, im weißen Ballkleid mit dem feisten Dépardieu. Ein Fehler, denn dabei kollabiert das Kratzbürstenkonzept. Das wundervolle Innere auch noch nach außen gestülpt, wird Whoopi zur wandelnden Redundanz. Katja Nicodemus

„Bogus“, Regie: Norman Jewison. Mit: Whoopi Goldberg, Gérard Depardieu. USA 1996