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Als gläubiger Muslim zurückgekehrt

■ Der Tschetschenienkrieg im Kino – Das „Stalker“-Filmfestival in Moskau

Irgendwo in der russischen Provinz liegt ein idyllisches kleines Dorf. Auf den staubigen Wegen hört man nichts als das Schnattern der Gänse. Bis eines Tages unbekannte Laute ertönen. Kolja Iwanow, ein Sohn des Dorfes, war als Soldat in Afghanistan und ist als gläubiger Muslim aus der Gefangenschaft zurückgekehrt. Auf der Wiese stehend, ruft er Allah an. Das Dorf empfängt ihn feindselig. Der häufig betrunkene Bruder schlägt ihn, weil er sich weigert, zu trinken, und zwingt ihn, eine Ikone zu küssen, obwohl er selbst nicht an Gott glaubt.

Die größte Begeisterung löste auf dem „Stalker“-Filmfestival, zu dem vor allem ältere Leute kommen, der in Rußland schon bekannte „Kaukasische Gefangene“ (1996) von Sergej Bodrow aus. Der Film, der sich in seiner Handlung an eine Tolstoi-Erzählung anlehnt, erzählt die Geschichte zweier russischer Soldaten, die in einem kaukasischen Bergdorf in Gefangenschaft geraten. Einer von ihnen verliebt sich in die Tochter seines kaukasischen Bewachers. Sie verhilft ihm zur Flucht und stellt sich damit gegen den strengen, aber gerechten Vater, der den Gefangenen töten will, um seinen Sohn zu rächen. Keine der beiden Seiten wird denunziert.

Wie ein roter Faden zog sich der Tschetschenienkrieg durch das Festivalprogramm. „Der Verrat“ des Engländers Clive Gordon porträtiert die russischen Soldatenmütter, während „60 Stunden der Maikopskoj-Brigade“, ein Film des Lokalsenders von Nischni Nowgorod, den gescheiterten Sturm auf Grosny zur Jahreswende 1994/95 beschreibt.

Der entscheidende Coup des Festivals, das sich ausdrücklich den Menschenrechten widmet, war nicht nur die Vorführung von Gefängnisfilmen, sondern der tatsächliche Besuch hinter Gittern. Die Journalistin Irina Masilkina befand, daß sich das Frauengefängnis Moschaiskoje in „einem furchtbaren Zustand“ befindet, und arrangierte einen Ausflug. „Diese Frauen haben nichts zu essen. Das Gefängnis erhält kein Geld vom Staat. Die Mitarbeiter erhalten kein Geld. Sie haben eine bestimmte Menge Buchweizen für eine Woche, und niemand weiß, wie es weitergeht. Das Gefängnisgebäude ist ungeheizt. Es ist ein furchtbares Bild. Die Frauen schlafen in ihren Mänteln.“ Der Besuch, so berichtete Masilkina anschließend, habe den Frauen Mut gemacht.

Das Festival war nicht nur thematisch eng mit dem Thema Gefängnisse und Lager verknüpft. Es gab auch biographische Verbindungen. Die Jurymitglieder hatten fast alle schon mal im Lager oder im Gefängnis gesessen. Der Juryvorsitzende Valeri Frid hat in der Stalinzeit zehn Jahre im Lager verbracht. „Die Leute sollen sehen, daß nicht alle, die im Lager sitzen, Verbrecher sind, und daß sie eine gute Behandlung verdienen.“

Das Geld für das zum drittenmal stattfindende Festival kommt vor allem von der amerikanischen Soros-Stiftung. Die russische Schokoladenfabrik Babajewskoje und die Molkerei Otschakowskij trugen Sachspenden bei. Die Freikarten waren bereits nach drei Tagen vergeben. Das Festival zieht nicht unbedingt Jugendliche an. Der Großteil der Besucher war älter als 40 Jahre. Viele Rentner kamen endlich mal dazu, wieder ins Kino zu gehen, was sie sich sonst nicht leisten können. Ulrich Heyden

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