Portrait: Wächter des Flächentarifs
■ Dieter Hundt
Er sei ein Mann des Ausgleichs, heißt es. Einer, der selten laut wird, der höchstens in Fahrt gerät, wenn Fredi Bobic vom VfB in Stuttgart den Ball zuweit über das gegnerische Tor schießt. Dann soll Dieter Hundt sich schon mal wütend auf die Schenkel klopfen. Sonst bewahrt der Mann die Contenance.
Dieter Hundt wird heute zum Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und damit zum Nachfolger von Klaus Murmann ernannt. Roman Herzog wird im Bonner Maritim-Hotel die Rede halten. Wird den ehemaligen Chef der baden-württembergischen Metall-Arbeitgeber loben, der es in den vergangenen Jahren geschafft hat, daß sich die Fronten zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaften nicht verhärteten. Auch von der IG Metall werden Segenswünsche an den 58jährigen eingehen. Ein Scharfmacher oder ein wachsweicher Kompromißler sei er nicht, sagt IG-Metall-Vize Walter Riester. Der schwäbische Exwirtschaftsminister Dieter Spöri (SPD) meint: „Hundt gehört zu den differenziert denkenden Arbeitgebern.“
Weichei, allzu nachgiebig gegenüber den Gewerkschaften, schimpft ihn dagegen sein Widerpart Hans-Olaf Henkel vom BDI. Die beiden obersten Repräsentanten der Wirtschaft sind sich nicht grün. Sie streiten um die Frage, ob Betriebsräte und Unternehmer direkt über alle Tariffragen verhandeln dürfen, wie es Henkel fordert. „Die überwältigende Mehrheit unserer Firmen will das nicht, sie will die wesentlichen Punkte im Flächentarifvertrag geregelt haben und diese innerhalb eines definierten Rahmens an die Unternehmenssituation anpassen können“, sagt Hundt.
Den Metall-Tarifabschluß in Niedersachsen, mit voller Lohnfortzahlung und niedrigen Lohnsteigerungen, kommentiert er diplomatisch. Er begrüße ihn weder noch lehne er ihn ab. „Wir benötigen für unsere Unternehmen eine Kostensenkung“, sagt er. Ob der Abschluß „zweckmäßig“ sei, müsse geprüft werden. Einen engen Freund hat er in Werner Stumpfe gefunden. Mit dem Präsidenten des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall verbindet ihn nicht nur die Liebe zum Fußball, die beiden legen auch schon einmal einen politischen Doppelpaß hin. Wobei Hundt vorangeht.
Er war es, der am vergangenen Donnerstag zuerst meinte: „Unser Arbeitskampf mit Streik und Aussperrung ist antiquiert.“ Versteckt in einem Illustriertenbericht, brachte er die Idee vom Friedensabkommen nach Schweizer Modell auf: „Dort muß in den Betrieben so lange verhandelt werden, bis eine Einigung da ist.“
Vier Tage später nahm Stumpfe den Ball ab und redete Tacheles: Das Streikrecht müsse eingeschränkt werden. Es war Stumpfe, auf den der Zorneshagel niederging. Hundt, der früher als Mittelstürmer spielte, kann leisetreten. Vergangene Woche ließ er sich mit dem Satz zitieren: „Ich bin ein Mann des sozialen Dialogs.“ Vor kurzem aber hat der Chef der schwäbischen Allgaier Werke seinen Arbeitern die kostenlosen Blaumänner gestrichen. Annette Rogalla
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