Gotteshaus durchsucht

■ Kirche schützte Vietnamesen. Staatsanwaltschaft suchte Unterstützer

Berlin (taz) – Die Herren kamen zu siebt ins Gotteshaus, aber nicht zum Beten. Ausgestattet mit zwei Durchsuchungsbefehlen durchkämmten sieben Kripobeamte und ein Staatsanwalt am Dienstag morgen die Räume der Ostberliner Kirchengemeinde am Baumschulenweg. Die Hausdurchsuchung markiert eine neue Eskalationsstufe in der Auseinandersetzung um das Kirchenasyl, denn die Suche der Fahnder galt keinem untergetauchten Flüchtling. Sie galt den Namen und Anschriften von zwanzig Gemeindekirchenratsmitgliedern. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt sie, „gemeinschaftlich“ mit dem Pfarrer Beihilfe zum Verstoß gegen das Ausländergesetz zu leisten.

Die Tatzeit dieses „Vergehens“ liegt auf den Tag genau ein Jahr zurück. Damals bekräftigte der Gemeindekirchenrat seinen Beschluß, dem ehemaligen vietnamesischen Vertragsarbeiter Herrn L. Schutz vor der drohenden Abschiebung zu gewähren. Der 37jährige hatte zuvor eine Gefängnisstrafe wegen des Handels mit unverzollten Zigaretten verbüßt. Im Anschluß daran drohte ihm die Abschiebung nach Vietnam – was eine Trennung von seiner legal in Berlin lebenden Ehefrau und seinem Sohn bedeutet hätte.

Für die Behörden verstößt Herr L. mit seinem nicht geduldeten Aufenthalt gegen das Ausländergesetz. Am 7. Januar soll er sich dafür vor Gericht verantworten. Bei der Hausdurchsuchung holten sich die Ermittler nun die Daten seiner Unterstützer, und zwar durch die Beschlagnahmung des Protokollbuchs auf dem Pfarrersschreibtisch. Ein in Deutschland bislang beispielloser Vorgang – und ausgerechnet am Tag der Menschenrechte. Vera Gaserow