Das Weichei reitet wieder

■ Am Montag wird das Reiterstandbild von Friedrich Wilhelm IV. wieder auf die Freitreppe vor der Alten Nationalgalerie gehievt. Rost- und Einschußlöcher der Roten Armee zugelötet

Ab Montag morgen reitet er wieder vor der Alten Nationalgalerie, der König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (1795 bis 1861). Barhäuptig, mit einem Militärmantel bekleidet, der lässig über die Schultern hängt. Den Bronzegaul fest am Zügel. Der Fürst als Kriegsherr in Bronze! Oder doch nicht, weil er helmlos reitet, der „Romantiker“ unter den Preußenkönigen, der der Philosophie und Kunst zugewandt gewesen sein soll?

Der Fürst ein totales Weichei? Die Bronze als Weichei. Weil die Skulptur von Alexander Calandrelli beinahe einhundert Jahre auf dem Sockel vor dem Kunsttempel in Erstarrung verharren mußte, hat das Metall korrodiert wie ein altes Auto. Die Berliner Luft soll erst eine dicke Schmutzkruste auf den Reiter gelegt haben, die Emissionen nagten. Dann fingen die Eisenverstrebungen im Hohlraum an zu rosten. Schließlich sollen MG-Kugeln der Roten Armee den Bronzeriesen durchlöchert haben. Alles keine guten Voraussetzungen für Standfestigkeit. Zumal sich auch der Sockel als Weichei entpuppte. Der Platz vor der Freitreppe des Museums, das konnte jeder sehen, fing in den vergangenen Jahren an zu bröckeln. Die Treppenstufen wankten. Das Portal gab seinen Geist auf. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Friedrich Wilhelm zu Boden gehen würde.

Der Fall der Mauer hat die Weicheier gerettet. Denn seit Preußens Glanzzeiten entlang der Linden wiedererstehen sollen – man denke an die Preußengeneräle links und rechts der Neuen Wache oder an den Baumeister Karl Friedrich Schinkel, der vor ein paar Monaten wieder auf das Postament gehievt wurde – dürfen die alten Bronzebärte inklusive des letzten Rotarmisten in der Stadt wieder rauschen. Zwei Jahre lang wurde der Standbildmonarch mit seinem Pferd gesäubert und restauriert, die Löcher zugelötet und alles wieder in Schuß gebracht. Dann durfte sich die Skulptur noch zwei weitere Jahre im Exil auf den spannenden Augenblick am Montag vorbereiten, wenn ihn ein Kran nach oben bringt. Eingehaust überwinterte das Werk auf dem Gelände des Neuen Museums, bis die Unterkonstruktion wieder standfest betoniert worden war.

Der Romantiker auf dem Thron soll reiten. Ein schweres Los hatte er ja: Sein Vater war ein reformerischer Haudegen im Kampf gegen Napoleon; die Mutter ist Meyers Enzyklopädie unbekannt. Kein Geld war in der Staatskasse, dem Gottesgnadentum war Friedrich verfallen, und am Scheitern der Revolution von 1848 war er beteiligt. Als er krank starb, blickte er nicht mehr durch. Darum reite! rola