Conan und Perry Rhodan im Zwielicht

Ist Fantasy-Literatur faschistisch? Der Neonazi und Fantasy-Autor Christian Worch ist davon überzeugt. Andere finden Worchs Geschichten nicht bedenklicher als 90 Prozent aller Texte des Genres. Die Diskussion ist eröffnet  ■ Von Klaus Farin

„Fantasy ist faschistisch oder faschistoid, doch ob man die Formel ,deshalb weg damit!‘ einfach so benutzen soll, weiß ich nicht. Diese Gattung ist meiner Meinung nach nicht unbedingt gefährlich, weil in ihr das fiktive Element noch weit mehr überwiegt als bei Jerry Cotton oder John Drake oder ,Der Landser‘. [...] Die Grundkonzeption der meisten Fantasy-Werke muß von einem faschistoiden Staat ausgehen. Interessant ist nur, was die Autoren daraus machen. Denn auch von dieser Grundkonzeption ausgehend, kann man die Fantasy von ihren faschistoiden Anklängen befreien, wenn man selbige beispielsweise als negativ darstellt. [...] Ich jedenfalls werde mich nicht davon abhalten lassen, weiterhin Fantasy und ähnliches zu produzieren, und ich hoffe, meine wenigen Leser werden sich vom Lesen auch nicht abhalten lassen.“

Der Autor dieser Zeilen, im Januar 1976 im Fanzine Time Gladiator gedruckt, heißt Christian Worch. Genau jener: Der Kopf der deutschen Neonazibewegung ist Fantasy-Fan und -Autor. Und zwar ein guter, „ein Mann, der für Fan-Verhältnisse hervorragend zu schreiben versteht“, urteilen die Linken Klaus N. Frick und Hermann Ritter in ihrer Dokumentation „Wie faschistisch ist die Fantasy? Eine Themenarbeit am Beispiel Christian Worch“ (Band 136/137 des Science-fiction-Magazins Andromeda, Bezug über: Michael Leiner, Griesborner Str. 69, 66359 Bous).

Frick/Ritter lösten schon im Vorfeld ihrer Veröffentlichung Wirbel aus: Vereinbarte Vorabdrucke in Zap und Plot scheiterten letztendlich an den „Bedenken“ der Redaktionen, mehrere linke Druckkollektive verweigerten die Arbeit. Denn die im Punk-/Antifa- und Science-fiction-Umfeld beheimateten Herausgeber schreiben nicht nur über Worch, sondern lassen ihn auch selbst zu Wort kommen: Neben dem oben zitierten, äußerst aufschlußreichen Essay dokumentieren sie vier Erzählungen von Worch und ein langes, autorisiertes Interview mit dem heute Vierzigjährigen, der als Zwölfjähriger von der Heftserie Perry Rhodan infiziert wurde (als deren Redakteur Klaus Frick heute arbeitet), seitdem alles an SF und Fantasy verschlang, „was ich irgendwie in die Hand kriegte“, und später im Gefängnis selbst zu schreiben begann, „schätzungsweise tausend engbeschriebene Schreibmaschinenseiten“ allein im ersten Jahr.

Und einiges davon wurde auch veröffentlicht – nicht nur in rechten Zines. Worch pflegte (und pflegt zum Teil bis heute) auch rege Kontakte zu antifaschistischen Fans und Zines, nahm an entsprechenden Treffen teil. Die Gruppendynamik der Science-fiction- und Fantasy-Gemeinde sei „der radikal rechten Szene nicht unähnlich“, stellt Worch in einem Brief an Fricke vom 29. 8. 94 fest. „[...] verhäuftes Auftreten von geradezu zwanghaftem Selbstdarstellungsdrang, Dominanzkämpfe, Intrigen, Kampagnen, Majorisierungsversuche usw. Der einzig relevante Unterschied ist, daß in fannischen Kreisen die Anwendung oder nur ernst gemeinte Androhung von Gewalt obsolet ist, während es in ultraradikalen Kreisen zu den Usancen gehört, wenigstens anzudeuten, daß man Muskeln hat, wenn man sie schon nicht gleich spielen läßt.“

Fantasy und Science-fiction sind nicht prinzipiell faschistisch und/ oder rassistisch, wie Worch meint, doch bestimmte Affinitäten, etwa in der Auswahl und Inszenierung der (meist männlichen) Helden, sind unübersehbar, tief im Genre verwurzelt und nicht auf wenige Autoren wie Heinlein, Pournelle, Howard („Conan der Barbar“) oder Worch zu reduzieren. „So gern ich Worch rassistische Tendenzen in seinen Geschichten unterstellen würde“, schreibt der Historiker Hermann Ritter, belegen ließe sich das nicht. „Zumindest nicht, ohne daß ich über 90 Prozent der gesamten Fantasy für faschistisch erkläre.“ Die Diskussion ist eröffnet.