Anders werden

Michel Foucaults Publikationsstrategien in bezug auf seine eigene Person waren bekanntermaßen erratisch. Hatte er gegenüber Le Monde noch auf dem anonymen Titel „Der maskierte Philosoph“ bestanden, so gewährte er der italienischen Zeitschrift Il Contributo noch ganze Colloqui, in denen er auch die schlimmsten, nachgerade ins Bildungsromanhafte zielenden Fragen noch beantwortete. Dabei half nicht nur die Tatsache, daß er im Zuge seiner Beschäftigung mit der Antike die Figur der „philosophischen Existenz“ wiederentdeckt hatte, sondern auch der von ihm neu mit Begeisterung besetzte Begriff der „Erfahrung“: Wie man durch sie nicht derselbe bleibt, nicht das festgezurrte, identische Subjekt der europäischen Metaphysik, und trotzdem nicht einfach „Struktur“ wird – das beschreibt er, buddhistisch zurückgelehnt, Ducio Trombadori am eigenen Beispiel.

So habe Foucault als jemand, der am Ende des Zweiten Weltkriegs zwanzig Jahre alt war, enttäuscht vom gaullistischen Frankreich, der damals gepflegte dürre Hegelianismus, der stets um das unglückliche Bewußtsein kreiste, nicht genügen können. „Der Gedanke, in einer solchen Welt bürgerlicher Intellektueller zu werden, erschien unerträglich. (...) Die Welt und die Gesellschaft, die uns vorschwebte, wäre nicht nur eine andere gewesen, sondern eine, in der auch wir andere gewesen wären.“ Nietzsche fiel ihm da sozusagen in den Schoß; auch Bataille, Blanchot. Wie ihn ein dünner Faden von da ab mit Befreiungsbewegungen verband, ohne daß er sich je zu deren Sprecher aufschwang, das schildert dieser kleine Band. Mn

Michel Foucault: „Der Mensch ist ein Erfahrungstier“. Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, 144 Seiten, 16,80 DM