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Bundestag beschließt Milliardenverschwendung

■ Umstrittene Privatfinanzierung für ICE-Neubautrasse von München nach Nürnberg beschlossen. Der Plan kann noch in die Haushaltslöchern fallen

Ingolstadt (taz) – Es war gar keine weihnachtliche Stimmung im Bundestag, auch wenn in der aufgeregten Debatte immer wieder vom Christkind gesprochen wurde. „Alle Jahre wieder erleben wir zahlreiche Anträge zur ICE- Trasse München–Nürnberg von den Grünen. Aber das Christkind kommt einmal im Jahr und ist willkommen, die Anträge der Grünen sind viel zahlreicher, verwirrender und meistens auch überflüssig“, mockierte sich der FDP-Abgeordnete Horst Friedrich.

Doch überflüssig und verwirrend halten SPD und Bündnis 90/Die Grünen – sowie ein abtrünniger „Freidemokrat“ – das Finanzierungsvorhaben für „die unsinnigste Bahntrasse, die es je gab“, so der Grünen-Bundestagsabgeordnete Albert Schmidt. Wegen eines Fahrzeitgewinns, der – je nach Betrachtungsweise – mal eine Minute, mal elf Minuten und mal zehn Sekunden beträgt, soll sich der Staat auf eine abenteuerliche Finanzierung der Strecke München–Nürnberg einlassen. Zwei Möglichkeiten stehen zur Wahl: eine kostengünstige über Augsburg. Die bestehende Trasse müßte nur ausgebaut werden, wofür gerade mal ein Bruchteil der mindestens 7 Milliarden Mark erforderlich wäre, den die zweite Möglichkeit verschlingen wird: der Neubau mit Tunnel und Brücken über Ingolstadt.

Der Bundesrechnungshof hält letztere Variante für überteuert, und hegt Zweifel daran, „ob in Anbetracht des geringen unternehmerischen Nutzens die Maßnahme zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt realisiert werden sollte.“ Richtig, meint Schmidt. Zumal durch Einsatz moderner Neigetechnik in einer neuen ICE-Generation der veranschlagte Fahrzeitgewinn auf lächerliche zehn Sekunden zusammenschmelze. Doch selbst wenn es Minuten sein sollten, stünden die Naturzerstörung im Altmühltal und die hohen Kosten in keinem Verhältnis.

Die Koalition beschloß am Donnerstag diese „Wahnsinnstrasse“ (Schmidt). Der BUND Naturschutz spricht vom einen „Schildbürgerstreich“. Angesichts solcher Planungen mache die umstrittene Trassenführung keinen Sinn. Mit 300 oder 400 Stundenkilometer könnte der ICE losrasen, durch die Tunnels schießen, um dann jedoch ab Ingolstadt ein konsequentes Bremsmanöver einzuleiten. „Ab hier nur noch Bummelzug“, müßte man laut Albert Schmidt dann ankündigen.

Für Dionys Jobst, CSU-Verkehrsexperte im Bundestag, sind die Bündnisgrünen ein „Hemmschuh nicht nur des Straßenbaus, sondern auch des Ausbaus des Schienennetzes.“ Da kontern die Oppositionsabgeordneten mit den „unsäglichen Finanzierungstricks, die das ganze Problem in die Zukunft verlagern.“ Sie zweifeln an den neuen Zahlen zur privaten Vorfinanzierung des Projekts.

Ähnlich argumentiert auch die sozialdemokratische Parlamentarierin Heide Mattischeck. Auf schlampige Art seien 6 Milliarden Mark Finanzierungskosten verschwunden. Hintergrund des Rechenkunststückchens: Die private Finanzierung der Ingolstadt-Variante soll nun in 15 statt in 25 Jahren abgewickelt werden. Somit würde die auf 7 Milliarden Mark veranschlagte Trasse nicht 15,6 Milliarden, sondern nur noch 9,6 Milliarden Mark kosten.

Eine Hoffnung bleibt noch: daß am 23. Dezember das bayerische Verwaltungsgericht der Klage des BUND Naturschutz stattgibt und die Pro-Ingolstadt-Entscheidung doch noch kippt. Klaus Wittmann

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