Amnestie für Terror

■ Südafrikas Präsident verlängert Stichtag vor Wahrheitskommission

Johannesburg (taz) – Am Ende mochte sich der südafrikanische Präsident Nelson Mandela dem Argument der Versöhnung nicht verschließen. Trotz seiner bisherigen Ablehnung stimmte er gestern weitreichenden Fristveränderungen für die Arbeit der sogenannten Wahrheitskommission zu. In einem Gespräch mit deren stellvertretendem Vorsitzenden Alex Boraine ließ sich Mandela überzeugen, den bisherigen Stichtag für Amnestieanträge vom 6. Dezember 1993 auf den 10. Mai 1994 auszudehnen – den Tag, an dem er als erster schwarzer Präsident des Landes ins Amt eingeführt wurde. Außerdem stimmte er zu, daß die Frist, binnen derer Anträge auf Amnestie eingereicht werden dürfen, bis zum 10. Mai kommenden Jahres verlängert wird. Ursprünglich sollte sie an diesem Wochenende ablaufen.

Was vielleicht nur als kleine Formalie erscheint, hat für Südafrikas Innenpolitik weitreichende Konsequenzen. Denn mit der Verschiebung des Stichtages können nun auch jene rechtsextremen weißen Bombenleger Amnestie beantragen, die kurz vor den ersten demokratischen Wahlen im April 1994 das Land mit Angst und Schrecken überzogen. Fast 20 Menschen kamen damals bei den Anschlägen um. Seit Jahren wurde um den Stichtag gestritten. Zu verdanken ist der Sinneswandel Mandelas nicht zuletzt der Vermittlung des ehemaligen Generals Constand Viljoen, zugleich Vorsitzender der rechten Freiheitsfront (FF), der ebenfalls an dem gestrigen Gespräch teilnahm. Er hat einen guten Draht zu Mandela und klagte häufig darüber, daß eine ganze Bevölkerungsgruppe mit dem bisherigen Datum vom Versöhnungsprozeß ausgeschlossen sei. Mit der Änderung ist der ehemalige Armeechef nun selbst bereit, Amnestie zu beantragen.

Ausgesprochenes Glück für die Kommission ist, daß die Frist für Amnestieanträge verlängert wird. Erst in den vergangenen Tagen war dieser Teil der „Wahrheitsfindung“, der sich mit den ehemaligen Tätern befaßt, ins Rollen gekommen. Kordula Doerfler