Betr.: Theaterfotografien

Früher ließen berühmte Theaterschauspieler in einem Studio Rollenfotos anfertigen, als Devotionalien für den Hausgebrauch. Theaterfreundinnen schickten ihrem Liebsten dann ein Bild von Joseph Kainz, Alexander Moissi oder Gertrud Eysoldt und schrieben hintendrauf mit Bleistift: „Morgen abend um acht? Habe Sehnsucht, Dein Jettchen.“ Andere warteten nach der Vorstellung am Bühnenausgang auf die Stars, um die Rollenbilder mit Autogrammen zu veredeln. Daran gemessen hat der Theaterschauspielerstand heutzutage natürlich abgewirtschaftet.

Daß der ideelle Marktwert der Protagonisten gesunken ist, kommt der Vermarktung des Gesamtprodukts Theater jedoch eindeutig zugute. Unbelastet von Herzblut und persönlicher Erfahrung können Theaterfotografien problemlos in den Kanon der Kunstpostkarten eingemeindet und auch an Theaterfeinde oder Verwandte in Finnland verschickt werden. Ob man sich für Katharina Thalbach als Mutter Courage (rechtes Foto), für eine Landschaft von van Gogh oder einen Hund mit Sonnenbrille auf dem Motorrad entscheidet, hängt allein damit zusammen, welche Art von Chiffre man gerade benötigt.

Ein Postkartensatz des Thalia Theaters Hamburg macht jetzt ein schönes Angebot. Da streckt beispielsweise ein Mann mit Wollmütze seinen Kopf aus einem grün angeleuchteten Bodenloch, eine Dame in Rot faßt mit spitzen Fingern die Seiten eines großen Buches, und ein Paar dreht sich verloren unter Glühlämpchen in einem allerletzten, nächtlichen Tanz (12 Stück, 9 Mark, zu bestellen unter Telefon: 040/32814444).

In gewohnter Weise noch offensiver und deutlich imagebewußter geht die Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz vor. Schauspieler läßt sie gleich außen vor und bietet Ansichten aus dem Bauch des Panzerkreuzers selbst. Eine Fotoserie von Julia Krüger zeigt verwitterte Schilder und Wände, Details rostiger und/oder defekter Apparaturen (wie hier zur Linken), und natürlich die berühmte Buchstabeninstallation „OST“ auf dem Dach des Hauses.

Nett nostalgische Zeichen, geeignet für Gelegenheits- wie Reisegrüße – so drängt sich das Theater via Kunstgewerbe sogar direkt ins Leben (6 Stück, 1 Mark, zu bestellen unter Telefon: 030/2476772). Petra Kohse