Milde Strafe für Hans Modrow

Der Ex-DDR-Ministerpräsident Modrow wurde wegen Falscheid vor dem Untersuchungsausschuß zu Bewährungstrafe verurteilt. Sein Handeln im Herbst 89 spielte keine Rolle  ■ Aus Dresden Detlef Krell

Hans Modrow kann aufatmen. Die 4. Strafkammer des Dresdener Landgerichts verurteilte den einstigen DDR-Ministerpräsidenten gestern nicht wegen Meineids, sondern lediglich wegen fahrlässigen Falscheides zu zehn Monaten auf Bewährung. Miteinberechnet wurden dabei neun Monate, die der frühere SED-Bezirkschef von Dresden wegen Wahlfälschung der DDR-Kommunalwahlen zu einem früheren Zeitpunkt erhalten hatte.

Die Anklage hatte Modrow noch Meineid vorgeworfen, also eine vorsätzliche Lüge unterstellt. „Lächerlicher kann sich die Justiz nicht machen“, kommentierte PDS-Chef Lothar Bisky das Urteil. Richter Hans Kotyrba hatte sichtlich Mühe, seinen Spruch zu erklären. Er begann mit einer Reihe peinlicher Versprecher. Da war vom August statt vom Oktober 89 die Rede, von SPD-Herrschaft... Als im vollbesetzten Saal Modrow- Sympathisanten ein „Pfui“ raunen ließen, drohte er mit Räumung. Dies sei kein politischer Prozeß gewesen, stellte er klar, zu verhandeln war allein die Aussage Modrows vor dem Untersuchungsausschuß des sächsischen Landtags, nicht Modrows Engagement im Herbst 1989.

Vor dem Landtagsausschuß hatte Modrow im April 1992 erklärt, daß die Bezirkseinsatzleitung, die ihm als SED-Bezirkschef im Wendeherbst unterstand und die die Sicherheitsorgane koordinierte, „im engeren Sinne“ nicht mehr nach September 1989 tagte. Das SED-Krisenorgan hatte sich jedoch mehrfach im Oktober und noch einmal am 4. November zu Beratungen getroffen. Als wichtigstes Indiz für diese Erkenntnis gelten Tagebuchaufzeichnungen des damaligen Dresdner MfS-Chefs Horst Böhm. Modrows Intimgegner aus jenen Herbsttagen konnte nicht selbst als Zeuge erscheinen, er hat sich nach dem Sturm auf die Stasi-Zentrale in Dresden das Leben genommen.

Das Gericht mußte dem Laienausschuß im sächsischen Landtag mehrere Verfahrensfehler bescheinigen. So hätte Modrow nicht als Zeuge, sondern als Betroffener vernommen und deshalb auch anders über Rechte und Pflichten belehrt werden müssen. Modrow hatte dem Ausschuß erklärt, er könne sich an einzelne Sitzungen der Bezirkseinsatzleitung nicht mehr erinnern, die letzte „im engeren Sinne“ habe wohl im September stattgefunden. Akten, die anderes bezeugten, lagen zwar einigen, nicht aber allen Ausschußmitgliedern vor; sie wurden dem Zeugen jedoch nicht vorgehalten. Das Verfahren mußte nun langatmig Definitionsfragen behandeln: Was ist eine Sitzung der Bezirkseinsatzleitung im engeren Sinn?

Zu diesem Gremium gehörten sieben Männer: SED-Bezirkssekretär Modrow, der Chef der Volkspolizei, der Vorsitzende des Rates des Bezirkes, der Stasi-Chef und weitere Mitglieder der SED- Bezirksleitung. Die hatten, als es mit der DDR zu Ende ging, selbstverständlich öfter miteinander geredet. Ob das nun „operative Beratungen“ waren, wie der eine Zeuge erinnerte, oder nur „Zusammenkünfte“, wie ein anderer sagte, bleibt Definitionsfrage. Auf den Verlauf des politischen Herbstes in Dresden, der ersten Stadt in der DDR, wo gewaltlos demonstriert werden konnte, hatte dieses Gremium jedenfalls keinen Einfluß mehr. Lediglich der als Scharfmacher bekannte Stasi-General Böhm hatte seinen Dienstherren Honecker und Mielke damals geflissentlich Auskunft über „ordentliche Beratungen der Bezirkseinsatzleitungen“ gegeben.

Siehe Kommentar Seite 10