Milošević legt Rückwärtsgang ein

■ Serbiens Präsident verspricht Untersuchung der Wahlfälschung und zieht umstrittenes Arbeitsgesetz zurück

Belgrad (AP/dpa/taz) – Der serbische Präsident Slobodan Milošević hat sich gestern erstmals mit regierungskritischen Studenten getroffen. Einer der Studenten sagte nach dem Treffen, Milošević habe eine Untersuchung wegen des Vorwurfs der Wahlfälschung zugesagt. „Er versprach, alle zu bestrafen, die das Gesetz gebrochen haben“, sagte Predrag Cveticanin. Er war einer von drei Studenten, die nach einem 240 Kilometer langen Protestmarsch von der südserbischen Stadt Niš in die Hauptstadt Belgrad von Milošević empfangen wurden.

Das Treffen, an dem nur ein Kamerateam des staatlichen Fernsehens teilnehmen durfte, dauerte laut Cveticanin 20 Minuten. Die drei Studenten forderten besonders die Anerkennung des Wahlsieges der Opposition in Belgrad.

Unterdessen wurden rund 30.000 Demonstranten in Belgrad das erste Mal seit Beginn des Protestes von einer großen Zahl Arbeiter unterstützt. Rund 1.000 Arbeiter aus verschiedenen Fabriken marschierten im Demonstrationszug am serbischen Parlament vorbei. Einige trugen Schilder mit Texten wie „Slobo Dämon“, „Frieden, Brot, Demokratie“ und riefen „Wir sind hungrig, wir wollen Brot“. Im Vorfeld der angekündigten Demonstration der unabhängigen Gewerkschaft Nezavišnošt hatte Milošević nach Angaben der Nachrichtenagentur Tanjug den Entwurf eines umstrittenen Arbeitsgesetzes zurückgezogen. Nach Angaben von Wirtschaftsexperten hätte eine Verabschiedung des Gesetzes zum Verlust von rund 800.000 Arbeitsplätzen führen können. Das Gesetz sah auch die Streichung von Geldern für Arbeitslose vor.

Das Oppositionsbündnis Zajedno (Gemeinsam) boykottierte die gestrige Sitzung des serbischen Parlaments, das von Miloševićs Sozialisten dominiert wird. Das Parlament beschloß unterdessen die Einsetzung eines Ausschusses, der über den Ablauf der jüngsten Wahlen und die Rolle der Medien und Gerichte diskutieren soll. Einen entsprechenden Antrag hatte die alleinregierende Sozialistische Partei von Präsident Slobodan Milošević gestellt, wie der Belgrader Sender B 92 meldete. Zajedno lehnt nach Angaben des Senders die Teilnahme an den Ausschußgesprächen ab, weil sie „unverbindlich“ seien. Statt dessen werde die Bildung einer paritätisch besetzten Parlamentskommission verlangt, die die Wahlfälschungen untersuchen soll.

Der frühere spanische Ministerpräsident Felipe González soll im Namen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Konflikt zwischen der serbischen Regierung und der Opposition vermitteln. Wie seine Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) gestern in Madrid mitteilte, bot die OSZE González offiziell an, eine sechsköpfige Vermittlerdelegation anzuführen. Nach Informationen der Zeitung El Pais ist der 54jährige Ex-Regierungschef entschlossen, das Angebot anzunehmen.