Masterplan

■ betr.: „Der Stein bestimmt das Be wußtsein“, taz vom 30.11./1.12. 96, „Masterplan setzt Planungen aus“, taz vom 1.12. 96

Das Verfahren und die anlaufenden Diskussionen lassen bei mir die Befürchtung aufkommen, daß hier aus Ignoranz gegenüber den Mentalitäten, den Ideen und der Kompetenz der Architekten und Planer und auch der Bürger aus dem Ostteil der Stadt eine weitere Verfestigung und Bestärkung der Polarisation zwischen Ossis und Wessis medienwirksam inszeniert wird. Dabei ist nach meinem Eindruck diese Ignoranz sowohl auf politischer Seite wie auf Planerseite, als auch auf Seite der Journalisten auszumachen.

Es wird zum einen der nach meiner Ansicht zum Teil durchaus berechtigte Ekel, der diese Menschen angesichts der gebauten Realität im östlichen Zentrum befällt, so sehr zum handlungsleitenden Motiv, daß diese gebaute Realität und die sich darin etablierten sozialen Beziehungen und Mentalitäten überhaupt nicht mehr als faktischer Ausgangspunkt für eine behutsame Neuentwicklung der östlichen Mitte ernst genommen werden.

Es ist bezeichnend, daß an der Erstellung des gesamten Masterplanes weder für den östlichen Teil noch für den westlichen Teil Planer aus dem Ostteil der Stadt an entscheidender Stelle mitgewirkt haben. Warum läßt man die hier anzutreffende Kompetenz und das hier aufzufindende spezifische historische und soziale Bewußtsein dieser Planer bewußt außen vor?

Die durch Planer aus dem Ostteil der Stadt, durch die Planungsbehörden des Bezirkes Mitte und die vielen Bürgergruppen entwickelten Vorstellungen zur Erneuerung von Berlins Mitte werden überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Warum ist Dorothee Dubrau, die sich als Baustadträtin in Mitte, und sind zum Beispiel die Architekten Kny & Weber, die den dritten Preis beim Wettbewerg für das Alexanderplatzgebiet erzielt haben und die beide eine ansehnliche Reputation weit über Berlin hinaus genießen, hier nicht beteiligt worden?

Ist es nicht bezeichnend, wenn einer aus der Regie derjenigen, die den neuen Masterplan entschieden verteidigen, auf der Diskussion im Stadtforum davon spricht, daß „die Frankfurter Allee die Linden Ostberlins werden sollen“? Als wenn der Boulevard Unter den Linden jemals im Westen gelegen hätte. Auch auf die Frage im Stadtforum, warum für die Umgestaltung des Breitscheidplatzes in der westlichen City nicht auch einmal ein Architekt aus dem Ostteil der Stadt beauftragt werden könnte, erhielt der Fragesteller keine Antwort.

Muß angesichts solcher Erlebnisse nicht auch bei dem besonnensten Menschen aus dem Ostteil der Eindruck entstehen, die Wessis gehen auf die östliche City im Geiste der Okkupation los? Und treibt man nicht die engagierten Bürger aus dem Ostteil, die nicht in Ostalgie auf ihre City schauen, sondern an einer historisch bewußten und behutsamen Erneuerung und Revitalisierung der östlichen City interessiert sind, in die unausweichliche Koalition mit den Ostalgikern, weil man sie bei der Neugestaltung der City in Ost und West vor die Tür setzt?

Entgegen der Meinung der überwiegenden Mehrheit der Kommentare in den westlichen Medien zum neuen Masterplan besteht die Mauer nicht so sehr im Kopf der Ossis weiter fort, sondern bei den Protagonisten des Masterplans und den ihnen wohlgesonnenen Kommentatoren. [...] Johannes Große Boymann

Die fast totale Einseitigkeit, mit der die taz Berlin gegen die Planideen aus dem Hause des Senators für Stadtentwicklung Stimmung gemacht hat und Sturm gelaufen ist, hat mich betrübt und ärgerlich gemacht. Einzig der kleine Kommentar von Gerd Nowakowski hat etwas von dem Gefühl der „Befreiung“ ausgedrückt, was viele bei dem Plan empfinden: daß endlich einmal der Entwurf eines Gesamtkonzepts für die „zentralen Bereiche“ gewagt wurde.

Jeder weiß, daß in Berlin jedes Konzept ständig in Gefahr ist, zerredet zu werden und zu scheitern. Hier entsteht der Verdacht, die Ideen von vornherein abwürgen zu wollen. Und fast ist es ja schon gelungen, wie die Diskussion im Stadtforum zeigte. Das finde ich sehr schlimmm. [...] Siegfried Winkler, Wilmersdorf

Wenn es schon leider meistens stimmt, daß alles, was von Berliner Senat und Behörden kommt, mit großer Vorsicht und kritischem Widerstand betrachtet werden muß, so ist es doch fahrlässig, hoffnugnsvolle Erscheinungen wie die personelle Konstellation Strieder/ Stimmann/ Hoffmann-Axthelm + Albers und ihre planerischen Aktionen für ein menschlicheres Berlin nicht zu unterstützen, sondern pauschal zu bemaulen.

Wenn einerseits zu finsteren Zeiten der Westberliner Kahlschlagsanierung der unermüdliche Kampf von Dieter Hoffmann-Axthelm für den Erhalt bestehender Bausubstanz auch notwendig, richtig und von der taz stets lobend gestützt wurde, so kann doch andererseits daraus nicht geschlossen werden, daß der kritische tazler eben grundsätzlich und blindwütig alles, was gebaut ist, verteidigt. Auch nicht – im populistischen Schulterschluß mit der PDS – die bestehenden Ergebnisse der DDR-Kahlschlagsanierung der sechziger Jahre!

Wenn Uwe Rada und Rolf Lautenschläger vor lauter vorgefaßten Meinungen nicht mehr hinsehen können, wie tot das in Mitte aussieht und was die neue Stadtplanung da zur Belebung vorschlägt, so mögen nach guter taz-Tradition doch bitte mehr unvoreingenommene Kommentatoren von außen um Stellungnahmen gebeten werden. Inge Sewig