Journalisten setzen Journalisten raus

■ Turbulenzen auf der Mitgliederversammlung des Vereins für eine „Gedenkbibliothek der Opfer des Stalinismus“

Berlin (taz) – Konflikte in oder um die „Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus“ in Berlin werden neuerdings handgreiflich gelöst. Zu Beginn der Mitgliederversammlung des Fördervereins am Montag in den Räumen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften wurde der Journalist Thomas Moser gewaltsam aus dem Versammlungsraum und aus dem Akademiegebäude hinausgeworfen. Die Versammlung hatte beschlossen, nichtöffentlich zu tagen.

Die tatkräftigen Vollzieher des Hausrechts waren ebenfalls Journalisten. Zum einen Ulrich Schacht, Redakteur der Welt am Sonntag, dessen Artikel von der rechtsradikalen Intelligenzija goutiert werden, sowie Jens Falk, Chef vom Dienst der Jungen Freiheit, einer Zeitschrift, die im nordrhein- westfälischen Verfassungsschutzbericht als rechtsradikal eingestuft wird. Schacht wurde später nahezu einstimmig zum neuen Vorsitzenden des Fördervereins gewählt. Falk hingegen exekutierte das Hausrecht, wählte später mit, obwohl er bis dato kein Mitglied des Fördervereins gewesen war.

Der Journalist Moser hatte mehrfach im WDR und SFB über die Bibliothek berichtet. Zuletzt im Oktober, als der Landesbeauftragte für die Stasiunterlagen, Martin Gutzeit, der Einrichtung die Zuwendungen des Senats mit der Begründung strich, daß sie politisch einseitig wäre und gegen das Haushaltsrecht verstoße. Ins rechtskonservative Fahrwasser war die „Gedenkbibliothek“ endgültig gerutscht, nachdem ihre Leiterin Ursula Popiolek sowie der heutige Landesbeauftragte für die Stasiunterlagen in Sachsen, Siegmar Faust, Geldgeschenke von einer früheren KZ-Wächterin angenommen hatten, die als „Opfer des Stalinismus“ entschädigt worden war. Popiolek ist als Geschäftsführerin der Bibliothek ebenfalls Mitglied im Vorstand. Eine Satzungsänderung, die die beiden Funktionen voneinander trennt, lehnte die Mitgliederversammlung ab.

Moser erstattete gestern gegen Schacht und Falk Strafanzeige wegen Nötigung sowie gegen den Förderverein wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Einspruch gegen die Rechtmäßigkeit der Einladung als auch gegen die Wahlen legte gestern auch der schon Anfang November zurückgetretene, aber bis zur Mitgliederversammlung noch offiziell amtierende Vorstandsvorsitzende Achim Günther ein. Seine von ihm einberufene Versammlung hatte Ursula Popiolek abgesagt. Zu dem Treffen am Montag wurde er nicht einmal mehr eingeladen. Anita Kugler