"Liebe taz..." Wo waren Frauen? - betr.: "Die Wucht der Bilder", taz vom 17.12.1996

Betr.: dito

Ich habe also nichts verpaßt, als ich das Weihnachtsoratorium im Dom dem zeitgleich angesetzten Kammerspiel für sieben männliche Hauptdarsteller: „Verbrechen der Wehrmacht“ vorzog: Dort wurde die geburt eines Kindes besungen. „Frauen waren nicht im Krieg“, sagten meine Hauptschüler verunsichert und erstaunt auf eine diesbezügliche Frage... sie hatten etwas nicht begriffen, was den sieben männlichen Hauptdarstellern und den Organisatoren der Geisterstunde im Goethetheater bei aller Fachkompetenz ebenso abgeht. Und das, obwohl Theweleits „Männerphantasien“ längst zur klassischen Pflichtlektüre zum Thema gehört: Achtung vor dem Anders-sein lernen Kinder in der Achtung zwischen Vater und Mutter – oder nur sehr mühsam. Kriege sind Ausdruck von Mißachtung. Wo also waren die Frauen, die geladen wurden, zum Thema „Verbrechen der Wehrmacht“ Stellung zu nehmen? Frauen sind nicht gefragt. Viele Menschen spüren und äußern, daß jetzt eine Zeit des Machtmißbrauchs, der Mißachtung ist.

Heide Marie Voigt