Neuer Glanz am Ostertorplatz?

■ Aus dem prachtvollen „Palast“-Kino am Ostertorplatz, wo jetzt ein Discounter residiert, soll wieder ein Kino werden

Jeden Ästheten schmerzt der Blick auf die Art déco-Fassade des ehemaligen „Palast“-Kinos am Ostertorplatz. Wo einst Filmfreunde ein und aus gingen, hat sich der Discounter „Penny“ etabliert: Die Schaufenster sind mit Sonderangeboten beklebt, die Fassade des Hauses bröckelt.

Auch Ahmed Kiziltas, Bauunternehmer und Geschäftsführer der WI-BA Bau, hat dieser Anblick wehgetan. Jetzt hat er das schmucke Haus in bester Lage am Ostertorsteinweg gekauft. Eineinhalb Jahre war er hinter der Immobilie her, bis er den Kaufzuschlag von einer Bremerhavener Erbengemeinschaft erhielt. Dem Penny-Markt hat Kiziltas gleich gekündigt, er will hier wieder ein Kino eröffnen, mit Café und Billardsaal. Ein wenig Verrücktheit spricht sich Kiziltas, ein Liebhaber historischer Fassaden, schon zu: „Ich investiere mehr, als ich sollte“, sagt er, denn an der Miete, die der Penny-Markt bringt, könne er viel mehr verdienen als mit der kulturellen Nutzung.

Ein ausgesprochener Kino-Fan ist der Bauunternehmer nun aber nicht. Deshalb wünscht er sich ein Empfangscafé als zusätzlichen kommunikativen Magneten auf dem O-Weg. Bloß: der Penny-Markt hat einen längerfristigen Mietvertrag, „mindestens bis zur Jahrtausendwende“, verlautet aus der REWE-Zentrale in Hamburg, zu der die Penny-Märkte gehören. Einem Ausweichquartier steht die REWE-Geschäftsleitung aber „nicht unbedingt negativ“ entgegen. Sonst halten sich die Hamburger bedeckt. Doch immerhin: Verhandlungsspielraum scheint es zu geben. Auch der Bauunternehmer kennt seine Chancen, den Penny-Markt bald aus der Immobilie herauszukriegen: „Kaufrecht bricht nicht Vertragsrecht. Penny hat eine berechtigte Option.“

Bloß: Wer sollte das Wagnis eingehen, einen Steinwurf vom „Cinema“ und zwei von der „Schauburg“ ein weiteres Kino aufzumachen, wo sich mit Einzelkinos ohnehin kaum Geld verdienen läßt? Anrufe von Interessenten habe Kiziltas schon einige bekommen. Hans-Jürgen Buhl, Theaterleiter von „Atlantis“, „Filmstudio“ und „Gondel“, war einer davon. Er hat „schon mal ja gesagt“ und freut sich, daß bei dem neuen Kino „ausnahmsweise mal nicht von einem Multiplex die Rede ist“. Und auch Manfred Brocki („Schauburg“) wird Ahmed Kiziltas noch anrufen. Schon damit es nicht ein anderer tut, müsse er sich für das Projekt interessieren. Die Konkurrenz schläft nicht.

Vielleicht nimmt der Bauunternehmer mit dem Sinn für schöne Fassaden die Anrufe aber gar nicht so ernst. Viertel-Ortsamtsleiter Robert Bücking ist „sich noch gar nicht so sicher“, ob Kiziltas nicht doch eine ganz andere Nutzung im Sinn hat. Zum Beispiel eine Mini-Markthalle im Sinne des Shop-in-shop-Systems: Fleischer, Bäcker, Schuster – alles unter einem Dach. Damit wäre aber nur das Erdgeschoß belegt. Der Rest des Hauses stünde leer. Dort ließe sich auch Büroraum lukrativ vermieten, spekuliert Bücking.

Doch wollen die Geschäftsleute am O-Weg den Penny-Markt oder das Kino? Zwar schätzen sie das Kino überwiegend als Bereicherung für das Viertel, fragen sich aber, ob es stärker als der Discounter dazu beitragen könnte, Kundenströme auch in ihre Geschäfte zu lenken. „Es bringt den Geschäftsleuten wenig, wenn Penny weg ist“, glaubt man bei „Spielwaren Wichlein“. Und Else Richter vom Schuster „Wilfrieds Praxis“ findet es „nicht gut, daß der Penny wegkommt, weil man in der Gegend nicht schnell mal eben einkaufen kann.“

Das Problem sieht auch der Ortsamtsleiter. Das Viertel müsse eine Grundversorgung an Lebensmitteln sichern, sagt Bücking, sonst führen die Leute noch öfter in die Verbrauchermärkte im Umland.

Tatsächlich stehe der Unterdeckung in der Lebensmittelversorgung am Ostertorsteinweg ein Überangebot an gastronomischen Betrieben entgegen, weshalb auch die Konzessions-Sperre für Gastro-Neugründungen hier nach wie vor in Kraft ist. Allgemein gilt: 20 Neugründungen und Geschäftsaufgaben hat es in diesem Jahr hier gegeben. Sieben Ladenlokale stehen leer. 50 Prozent der Geschäfte haben ihre Lage an der Viertelmeile geringfügig geändert. Einige haben sich auch bis ans Sielwall-Eck vorgetraut. Manche Szenen seien „gegen den Junkie-Horror resistent“, lobt Bücking die Initiativen des kürzlich eröffneten Friseurladens „Headhunter“ und des Nachfolgers des Copyshops „Copyright“ – wieder ein Kopierladen, der soeben von der Friesenstraße ans Eck gezogen ist.

Die Konzessions-Sperre für Gastronomie-Betriebe würde auch das Café von Ahmed Kiziltas betreffen. Doch der hofft auf eine Ausnahmegenehmigung, wie sie erteilt werden kann, wenn das Café im Rahmen einer überwiegend kulturellen Nutzung geführt wird. Beim demnächst zu eröffnenden Theater-Café am Goetheplatz sei das zum Beispiel der Fall. Kiziltas müsse denn auch dem Ortsamt ankreiden, daß es ihm bürokratische Hürden in den Weg stelle, wo er doch so viel in die Verschönerung des Viertels investieren wolle.

Selbst wenn das Ortsamt ihm keine Schwierigkeit macht: Kino und Cafébetrieb müssen sich tragen. Und: Wo keine Parkplätze vorhanden sind, muß für deren Ablösung bezahlt werden. Für jeweils fünf Sitzplätze muß ein Parkplatz abgelöst werden. Kosten: 20.000 Mark pro Parkplatz. Um das zweite Kino in der „Schauburg“ zu eröffnen, erzählt Manfred Brocki, mußte der Saal damals um 95 Plätze verkleinert werden. Die Ablösesummen waren einfach zu hoch.

Alexander Musik/ Mitarbeit:kg