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Die Kunst des Herrn Kuhn

Wer Kunst versichert, muß wissen, was sie wert ist. Aber noch wichtiger ist die Verpackung: Wenn das Kunstwerk in den Lkw geladen wird, dann beginnt die Arbeit der Versicherungsmakler  ■ Von Harry Nutt

Das Bild war weg und der Ärger groß. So richtig turbulent wurde es aber erst, als Hans-Joachim Giersberg, Generaldirektor der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten, eine Belohnung für die Diebe des Caspar-David-Friedrich-Gemäldes „Ansicht eines Hafens“ auslobte, falls sie das aus dem Potsdamer Schloß Charlottenhof entwendete Werk denn unversehrt zurückbrächten. Ein „Honorar für Räuber“, hieß es unlängst im Spiegel. Man sprach von Anstiftung zum Kunst-Napping.

Michael Kuhn findet die Äußerungen Giersbergs ebenfalls bedenklich, und zwar weniger aus moralischen als aus professionellen Gründen. Kuhn ist Versicherungsmakler und seit fast zwanzig Jahren ausschließlich mit Kunstversicherung beschäftigt. „Für Museen, Galerien, Kunsthändler, -sammler, und -spediteure bieten wir maßgeschneiderte Versicherungspolicen an“, heißt es in einem Werbeprospekt der Kuhn&Bülow-Makler-GmbH. „Wir helfen ihnen bei der Schätzung von Kunstwerken genauso wie bei der Lösung von Verpackungsfragen“, heißt es im selben Prospekt an anderer Stelle.

Achtzig Prozent Transportschäden

Der Raub von Potsdam brachte eine Branche ins Gespräch, die nicht zwingend auf Publicity aus ist. Die Gelegenheit, die Diebe macht, fürchten die Kunstversicherer wie der Teufel das Weihwasser. Sie leben nun einmal davon, daß die Künstlerkreationen an ihrem angestammten Ort verweilen und etwaige Ausflüge in Ausstellungen unbeschadet überstehen. Kuhn widerspricht auch der Äußerung von Giersberg, daß Kunst in Museen generell nicht zu versichern sei. Es gibt, so Kuhn, sehr wohl Bestandsversicherungen, beispielsweise in kommunalen Museen und Galerien, die allerdings in der Regel keine Vollwertversicherungen sind. Im Fachjargon spricht man von Erstrisikoversicherung, bei der die Versicherungsgeber in der Regel davon ausgehen, daß der „GAU“, das komplett ausgeräumte Museum oder einstürzende Altbauten, im wahren Leben ausbleibt. Die Schadensquote sei im Vergleich zu anderen Versicherungsbereichen im Grunde günstig, sagt Kuhn.

Diebstahl ist denn auch nicht das Problem der Versicherer. Es gab in den letzten Jahren einige spektakuläre Kunstraube, so den von Menzels „Knabe am Schreibtisch“ oder die Entwendung zweier Schinkel-Gemälde aus dem Schloß Charlottenburg. Aber mehr als 80 Prozent der Regulierungsfälle sind Transportschäden. Wenn die Kunst in den Lkw kommt, wird es für Kuhn & Bülow spannend.

Bis vor kurzem waren die Versicherungsmakler mit dem Transport von Joseph Beuys' Installation „Unschlitt-Tallow“ beschäftigt, das von Mönchengladbach in den Hamburger Bahnhof nach Berlin gebracht werden mußte. Die sechs großen Wachsblöcke sind über die Jahre porös geworden. „Die Risse und Aufbrechungen verändern Beuys' Intention nicht“, sagt Kuhn mit dem Zungenschlag eines Kunstkritikers, „aber wenn die Blöcke beim Transport auseinanderbrechen, ist das Werk zerstört.“

Michael Kuhn ist durch seine Arbeit auch zum Liebhaber und Kunstexperten geworden. Mit einem gewissen Stolz zeigt er ein Autogramm von Joseph Beuys auf einer Eintrittskarte der Nationalgalerie, mit einigen obligatorischen Weinflecken. In Kuhns Büro hängen Bilder von Rainer Fetting und Johannes Grützke, nur als Leihgaben, versteht sich. Zu seinen Kunden zählt neben Rainer Fetting auch Georg Baselitz. Die hoch gehandelten Maler fürchten weniger, daß ihnen im Atelier die Bilder von der Staffelei fallen könnten. In diesem Fall funktioniert die Kunstversicherung eher als Lebensversicherung. Die ehemals Jungen Wilden müssen halt auch Vorkehrungen fürs Alter treffen.

Neuzig Minuten in lodernden Flammen

Der Makler ist der Verbündete des Versicherungsnehmers, sagt Kuhn, das sei sogar gesetzlich vorgeschrieben. Kuhns Aufgabe besteht zuvörderst darin, als Mittler zwischen Kunstbetrieb und den Versicherungen aufzutreten. Neben einem ausgeprägten Kunstverstand muß sich der Versicherungsmakler außerdem auf Transportlogistik, Feuerschutz und Sicherheitstechnik verstehen. In einer „F90“-Kiste übersteht beispielsweise Leonardo da Vincis „Dame mit Hermelin“ neunzig Minuten in lodernden Flammen. Kuhn dokumentiert die Aufbau- und Transportarbeiten per Video, untersucht die Kunstwerke auf Mängel und lotet etwaige Gefahrenquellen beim Transport aus. Der Aufwand ist mitunter größer als bei einem Staatsbesuch.

Doch daß die Kunst durch die Verpackung Schaden nimmt, ist nicht die größte Sorge des Versicherers. Skeptisch wird ein Branchenvertreter wie Michael Kuhn, wenn die Rede auf die Staats- und Landeshaftungen kommt. Diese werden im Kunstversicherungswesen recht häufig und in beträchtlicher Höhe gegeben. Das sei, so Kuhn, auch ein bißchen wie russisches Roulett angesichts der Tatsache, daß die Staatskassen bekanntermaßen leer sind.

Und in Glücksspielfragen kennt Kuhn sich ebenfalls aus. Eine Zeitlang unterhielt er auf der Trabrennbahn Mariendorf einen Rennstall und besaß sogar eine Lizenz als Amateurfahrer.

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