Lebenszeichen von Faradsch Sarkuhi

■ Verwirrung um den iranischen Literaten: Nach taz-Informationen wurde er in einem Geheimdienstgefängnis gesehen. Gleichzeitig behaupten Teheraner Regierungskreise, er habe sich in der Türkei aufgehalten

Berlin/Stockholm (taz) – Widersprüchliche Informationen über den im Iran verschwundenen Schriftsteller Faradsch Sarkuhi. Iranische Regierungskreise behaupteten gestern, der Herausgeber der Literaturzeitschrift Adineh werde noch am selben Tag wieder auftauchen – in einem Flugzeug aus Istanbul.

Unterdessen wurde jedoch auch bekannt, daß Sarkuhi vor etwa zehn Tagen im Iran gesichtet wurde – im Gefängnis Nummer 336 in der Fatimeh-Straße in der Teheraner Innenstadt. Gesehen haben will Sarkuhi ein Mitgefangener beim Toilettengang. Verbreitet wurde die Nachricht von Verwandten des Augenzeugen, die diesen im Gefängnis besucht hatten. Unter Gefangenen heißt das Gefängnis 336 „Todeslager“ – viele der dort Festgehaltenen warten auf ihre Hinrichtung.

Die Information über Sarkuhis Haftort wurde gestern von dem in Paris ansässigen Iran Press Service verbreitet. Der von einem Exiliraner betriebene Informationsdienst gilt als sehr seriös. Auf Anfrage der taz erklärte Sarkuhis Ehefrau Faride Zebardschad gestern, sie habe die gleichen Informationen aus dem Iran erhalten.

Währenddessen verbreitete der ehemalige iranische Präsident Abol Hassan Bani Sadr ebenfalls, Sarkuhi sei in Teheran inhaftiert: Er werde „regelmäßig“ von einem Kerker in den anderen geschafft. Nach Ansicht des in Paris lebenden Exilpolitikers soll dadurch die Spur des am 3. November auf dem Flughafen Teheran verschwundenen Literaten verwischt werden. Exiliraner hatten seit Sarkuhis Verschwinden nacheinander drei verschiedene Haftorte angegeben.

Sarkuhis Ehefrau setzte sich unterdessen in Schweden für ihren Mann ein. Sie hofft, daß schwedische Politiker auf Bundeskanzler Helmut Kohl einwirken, seinen Einfluß in Teheran geltend zu machen. „Deutschland hat den Schlüssel für die Freigabe meines Mannes. Wenn Deutschland die Möglichkeiten, die die Regierung hat, ausnutzt, ist er morgen frei“, erklärte sie in einem Interview der Tageszeitung Dagens Nyheter. Der Bundesregierung wirft sie vor, bislang die Geschäfte höher zu hängen als die Moral und deshalb zumindest indirekt die Schuld für das Schicksal Sarkuhis zu haben.

Der Fall Sarkuhi hat auch in Schweden ein breites Medienecho ausgelöst: Die Redaktionen der vier wichtigsten Tageszeitungen haben in einem gemeinsamen Aufruf die schwedische Regierung aufgefordert, umgehend für seine Freilassung aktiv zu werden. Am Donnerstag wurde Sarkuhis Ehefrau vom außenpolitischen Ausschuß des schwedischen Parlaments empfangen. Dort trug sie vor, was ihrer Meinung nach Schweden und die westliche Welt für die Verteidigung der Meinungsfreiheit im Iran tun könnten.

Nachdem sie am Freitag vergangener Woche in einem offenen Brief an Bundeskanzler Kohl ihr bisheriges Schweigen gebrochen hatte, geht Frau Zebardschad im Gespräch mit Dagens Nyheter einen Schritt weiter: Es gebe einen klaren Zusammenhang zwischen einem von der iranischen Staatssicherheit gesprengten und auf Video aufgenommenen Treffen beim deutschen Kulturreferenten in Teheran, Jens Gust. Bei der Zusammenkunft waren Ende Juli sechs iranische Schriftsteller vom iranischen Geheimdienst festgenommen worden – unter ihnen Sarkuhi. In einem Brief an seine Frau äußerte er danach die Befürchtung, ihm solle in Teheran der Prozeß gemacht werden – wegen angeblicher Spionage für Deutschland –, als Druckmittel im „Mykonos“-Prozeß.

Bis Redaktionsschluß wurde Sarkuhis Rückkehr nach Teheran nicht bestätigt. Exiliraner hatten in den letzten Wochen gerätselt, wie der iranische Geheimdienst Sarkuhi freilassen könne, ohne dabei als Geiselnehmer dazustehen. Thomas Dreger/Reinhard Wolff