Irgendwie nicht koscher

■ Nach taz-Bericht: Der MDR beendet wegen eines manipulierten Beitrags über Jugendalkoholismus die Zusammenarbeit mit einer freien Produktionsfirma

Während Michael Born heute auf sein Urteil wartet, hat der MDR unter eine Fälschungsaffäre in den eigenen Reihen bereits einen Schlußstrich gezogen: Das MDR-Boulevardmagazin „Brisant“ beendete die Zusammenarbeit mit der freien Berliner Produktionsfirma „Das Redaktionsbüro“, weil sie einen Beitrag über alkoholabhängige Jugendliche manipuliert hatte. Der Fall war durch Recherchen der taz publik geworden (taz vom 6. Dezember: „Bowle à la Born“).

ARD-interne Kritik am Magazin „Brisant“

Wie berichtet, waren mehrere Schüler eines Berliner Gymnasiums zum Alkoholtrinken aufgefordert worden und dafür bezahlt worden. Nach dem Drehtermin vor der Schule waren sie außerdem zum Alexanderplatz chauffiert worden, um sich dort telegen neben den Straßenkids zu postieren. Auf dem Rohmaterial, das die Vorwürfe zerstreuen sollte, war die Tonspur später teilweise zerkratzt und die Autorin des Beitrags, Kathrin Schirm, komischerweise mit dem Kameramann im Urlaub.

Auf die Manipulationen angesprochen, hatte der verantwortliche MDR zunächst eher verärgert reagiert. In einer Pressemitteilung vom 6. Dezember hieß es, es habe „keinerlei Anhaltspunkte“ dafür gegeben, daß „die Szenen gestellt sein könnten“. Außerdem verwies man beharrlich auf einen Psychologen, der in dem Beitrag eine Studie zitiert, nach der es immer mehr jugendliche Alkoholiker gibt.

Zweifel kamen dem MDR dann aber spätestens, als sich Pressesprecherin Susan E. Knoll und „Brisant“-Redaktionsleiterin Claudia Schreiner das ungeschnittene Rohmaterial anschauten. Denn auf den Kassetten ist eindeutig erkennbar, wie Interviewpassagen aus dem Zusammenhang gerissen und Szenen nachgestellt wurden. Und während es in der Presseinformation noch hieß, man mache die Frage einer weiteren Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma davon abhängig, „wie es zu den Aufnahmen der Jugendlichen gekommen ist und ob möglicherweise Geld für den Ankauf von Alkohol gezahlt wurde“, hat „Brisant“ inzwischen die weitere Zusammenarbeit gekündigt.

Wie aus anderen öffentlich- rechtlichen Sendeanstalten zu erfahren war, ist das quotenstarke MDR-Magazin „Brisant“ durch den Fall ARD-intern unter Beschuß geraten. Schon lange werfen Kritiker der Sendung vor, sie kopiere recht unverhohlen die reißerischen Formate des Privatfernsehens wie z.B. RTLs „Explosiv“.

Tatsächlich wurde die Sorgfaltspflicht im Falle der vermeintlich alkoholabhängigen Kinder recht lasch gehandhabt: Der Beitrag hatte zunächst auf die „Brisant“- Redaktion einen tadellosen Eindruck gemacht – bei den angeworbenen Schülern des Berliner Georg-Christoph-Lichtenberg-Gymnasiums sorgte der 5-Minuten- Streifen dagegen für helle Empörung. Sie fühlten sich falsch dargestellt und erzählten von dubiosen Praktiken, wie das Drehteam zu seinen Bildern Bowle und Korn trinkender Jugendlicher gekommen war. So seien ihnen die zu leerenden Flaschen in der Schulpause bezahlt und sie selbst zum Trinken animiert worden.

„Unabhängig davon, ob der Beitrag nun ganz koscher war oder nicht“, sei man, so die MDR-Pressesprecherin Knoll, redaktionsintern übereingekommen, zukünftig „immer dann, wenn es um Kinder und Jugendliche geht, eine Einverständniserklärung der Eltern einzuholen“.

Diskussionsrunde statt Gegendarstellung

Von seiten der Schulbehörde wurde in einem Gespräch mit dem „Redaktionsbüro“ auf eine Entschuldigung und/oder Gegendarstellung gedrungen. Ersteres ist bisher noch nicht erfolgt, und für letzteres hat sich „Brisant“ etwas ganz Besonderes ausgedacht: Das „BoulevARD“-Magazin plant an der betroffenen Schule Anfang kommenden Jahres eine Diskussionsveranstaltung mit allen Beteiligten. Anschließende Ausstrahlung in „Brisant“ nicht ausgeschlossen. Christoph Schultheis/Oliver Gehrs