Gott mit Schepperstimme

■ Leo Kirchs Bibel für verlorene Seelen, Teil 2: Von der Wunderinkompatibilität des Fernsehens und dem Kampf von Ghandi gegen Dracula (Mi./Do., 18.30 Uhr, ARD)

Jetzt heißt es aber aufpassen, was man schreibt. Stand doch in der Ankündigungsmappe wieder so viel von Blasphemie. Als der Rezensent vor der Sichtung des „Moses“-Weihnachtsabenteuers zur Sicherheit noch einmal die literarischen Grundlagen der Story auffrischen wollte, erwiesen sich dann auch noch sämtliche Wohnungsnachbarn als unbebibelt. Was soll man da sagen: Die Zeit schreit nach der Fernsehbibel. Berichtete nicht einst der Religionslehrer, wie vormals die aliteraten Christen die Holy Stories als Bildgeschichten an die Kirchenmauer pinselten? Armenbibel nennt man das wohl. „Wie ein Comic strip“, sagte der Lehrer ranschmeißerisch. Ähnlich soll uns, aliterat und entchristlicht, wie wir schon wieder sind, auch die TV-Bibel ankommen.

Vor der Filmexegese sei noch einmal blickschärfend an ein paar Hintergründe erinnert. Das Bibelfilmprojekt hat für den schwer katholischen Fernsehherrn Leo Kirch erstens Herzens- und zweitens strategische Gründe. Erstere lassen sich mit dem Faktum illustrieren, daß Kirch die Bibelfilme unbedingt bei den Öffentlich- Rechtlichen unterbringen wollte, da ihm in den eigenen Sendern das Umfeld zu schmierig war und er während der Andacht keinen Sat.1-Werbeblock duldet.

Auf die strategischen Gründe weist die Tatsache, daß der Bibelneunteiler die ARD nicht nur ein Heidengeld kostete, sondern ihr Kirch obendrein ein Paket von 26 Italo-Billigschinken andrehte, die einstmals den Abend im Ersten verkleben werden, wenn Kirch dort keine guten Filme mehr reinläßt. Bei satten 30 Millionen aus dem Topf mit den Rundfunkgebühren dafür kann man von einer Armenbibel kaum mehr sprechen.

Als Basisproblem der Fernsehverbibelung erweist sich sofort die komplette Wunderinkompatibilität des Mediums. Da haben wir in jeder „Sendung mit der Maus“ schon mehr gesehen als einen brennenden Busch, der plötzlich zu quatschen anfängt – und auch noch wie Muttern sagt: „Zieh deine Schuhe aus!“ Es offenbart sich als richtig, was das Alte Testament lehrt und was der Moses- Film in der Episode mit dem Goldenen Kalb als bloße Geschichte verbrät: Wer Gott abbildet, entzaubert ihn. Bei Kirch ist Gott eine Schepperstimme. Ist nur ein Druck auf eine Taste an der Windmaschine. Die Sichtbarwerdung des Herrn als Routinehändel am MAZ-Tricktisch.

Kirchs Goldkalb ist hohl. Ghandi Ben Kingsley ist Moses und soweit ein ganz goldiger Kerl. Immer etwas naiv, immer etwas klein. Leider hat ihm Ex-„Magnum“-Regisseur Roger Young eine leicht debile Miene eingehaucht, die indifferent zwischen würdig und pfiffig changiert. Moses großen Gegenspieler, den Pharao Ramses, gibt Dracula Christopher Lee. Eigentlich eine ganz nette Paarung.

Zudem haben im großen und ganzen alle ihre Arbeit recht ordentlich gemacht: Stets zeichnet gelbschräges Seitenlicht leise ein paar Züge in die zugeschminkten Gesichter. Pathos und Kontemplation alternieren hübsch. Und wenn mal nichts passiert, wird eine Menge Landschaft zwischengeschnitten, zugeklebt mit einer überladenen Tonspur. Auf Prophezeiungen folgen da stets eine Menge gesampelter Frauenstimmen, von denen kaum anzunehmen ist, daß es die von Engeln sind, so enigmamäßig, wie das daherkommt.

Ohnehin wurde mit der süßen Musiksoße Ennio Morricones aber auch überhaupt nicht gespart. Die Hebräer, ein recht übersichtliches Völkchen, sind ein bißchen wie im Proletkult gemalt, geknechtet, aber gestählt.

Wenn auch das alles hübsch ist, so sind es doch Gebrauchsbilder mit Gebrauchsmusik. Selbst Werbespots müssen heute mehr Seele haben – und die sind schneller vorbei. Das Ganze wäre nett vorzustellen als Dauerberieselung in der Ecke einer süditalienischen Gemeindezimmers, bei abgedrehtem Ton. Aber, mit Verlaub: Eine abtrünnige Seele vermag „Moses“ nicht zurückzuholen. Lutz Meier