"Dreitausend marschieren mit"

■ SFB-Magazin Kontraste wittert eine wachsende autonome Gefahr, ein Terrorzentrum im Mehringhof und Absprachen zwischen Polizei und Autonomen

Mit drastischen Unterstellungen flankiert das SFB-Magazin Kontraste die Hauptstadtsäuberungspolitik von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU). Während jener in den vergangenen Monaten etliche Häuser räumen ließ und auf den Straßen lieber gelobende Soldaten als bettelnde Flüchtlinge sehen will, stilisiert das Politikmagazin unter Leitung von Jürgen Engert die autonome Szene rund um das Szene-Projekt Mehringhof zur Bedrohung für die Stadt, und Demos gegen die Räumungen werden als Unterstützung von Anschlägen diffamiert.

In einem Filmbeitrag, ausgestrahlt am 19. Dezember im ersten Programm, flimmerten Bilder von ausgebrannten Autos, Straßenschlachten und einer brennenden Straßenbahn über den Bildschirm. Eine „neue Qualität“ sei erreicht, weil der Brandanschlag auf die Straßenbahn Menschen gefährdet habe und außerdem „generalstabsmäßig“ geplant gewesen sei. Schließlich sei einer der Täter selbst in der Bahn mitgefahren. Die anschließende Demonstration gegen die Räumung von drei besetzten Häusern in Friedrichshain wird im Filmbeitrag in einen Topf mit dem Straßenbahnanschlag geworfen, unter dem Motto: „Dreitausend marschierten mit“.

Und zwischen den Bildern von Anschlägen und Demonstrationen immer wieder der Mehringhof. Mit langsamen Kameraschwenks wird das autonome Hofprojekt in Kreuzberg als Hochburg der kriminellen Energie Berlins aufgebauscht. Und diese Hochburg bekäme auch noch, so die weitestgehende These im Film, Unterstützung von der Polizei, denn die „interessiert nicht, daß hier Brandanschläge auf Autos geplant werden“. Es werde nicht ermittelt, und es gebe Druck aus Bonn, nicht zu ermitteln, behauptet ein unkenntlich gemachter Staatsschutzmitarbeiter. Die Schlußfolgerung im Film: „Der Apparat ist politisch einseitig, auf dem linken Auge blind.“ Der Staatsschützer stimmt auch der Engertschen These zu, es gebe „eine unausgesprochene Übereinkunft der Polizei mit der militanten Linken“.

Nachdem der Focus schon im November verrostete Teile einer Panzerfaust aus NVA-Beständen zum Beweis militärischer Aufrüstung der Autonomen uminterpretiert hatte, plädiert nun auch das SFB-Magazin für die Durchsetzung der harten Schönbohmschen Linie. Dabei konstatiert selbst der Verfassungsschutz eine „Krise der Autonomen“ und einen „Differenzierungsprozeß hinsichtlich der Opportunität und Legitimität von Gewalt“. Auch die Zahl der „Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund“ ist von 94 (1994) auf 74 Taten (1995) zurückgegangen. Barbara Junge