Das Portrait
: Gründervater der modernen Optik

■ Johannes Kepler

Ein kurzsichtiger Mensch erfindet die moderne Optik, dazu die physikalische Astronomie, schreibt einen beeindruckenden Science-fiction- Roman und rettet „nebenher“ seine als Hexe denunzierte Mutter vor dem Scheiterhaufen. Der Astronom Johannes Kepler, ein Mann der Widersprüche, schaffte es. „Er besaß die geheimnisvolle Gabe, seine Qualen in schöpferische Leistungen umzuwandeln“, schrieb Arthur Koestler. Vor 425 Jahren erblickte Johannes Kepler im süddeutschen Weil der Stadt das Licht der Welt.

Heute weiß fast jedes Schulkind vom Gesetz der Ellipsenbahnen, auf den sich unsere Planeten um die Sonne drehen (1. Kepler-Gesetz). Wer Physikleistungskurs hatte, erinnert sich vielleicht auch an die etwas kniffligeren Gesetze Nummer zwei und drei, die bis heute gültig den Zusammenhang zwischen den Planetenabständen, ihren Geschwindigkeiten und Umlaufzeiten um die Sonne beschreiben. Viel weniger bekannt sind Keplers Qualitäten als ideensprühender Science-fiction-Autor, der sich gleichwohl als Meister astronomisch exakter Deskription zeigt.

In seinem posthum erschienenen Mond-Roman „Somnium“ (1634) beschreibt er genauestens die 14tägigen Nacht- und Tagphasen auf dem Mond, er fabuliert en detail über das höllische Leben der „Privolvier“, die auf der von der Erde (Volva) abgewandten Seite leben. Die „Subvolvier“ haben es etwas besser. Ihnen scheint nachts die Erde, 15mal so groß wie der Mond.

Keplers Werke sind genauso phantastisch (“Somnium“) wie analytisch klar (“Neue Astronomie“) gebaut. Analogische Spinnerei und nüchternste Mathematik stehen wenige Zeilen auseinander. Die wohl stärkste Spannung seines Lebens: Er hat das zerstrittene Elternhaus im Rücken, schimpft sich selbst einen hündischen Menschen und strebt nach einer „Sphärenharmonik“. Mathematische Ordnungen zu finden ist für ihn Gottesdienst. Seine Lebensidee ist umgesetzt in der schwer lesbaren „Weltharmonik“, wo sich Kepler nicht nur als brillanter Astronom, sondern auch als philosophischer Kopf erweist. Die reinen Formen der Mathematik, der Musik und auch des menschlichen Seelenlebens geraten in eine umfassende Perspektive. Und das auf einem Niveau, von dem die späteren Väter des New Age nur träumen können.

Gerd Michalek