Ein Strand mit Zukunft?

■ Der brasilianische Bundesstaat Ceará entwickelt ein nachhaltiges Tourismuskonzept: keine Urlauberghettos und aktive Beteiligung der Bevölkerung

Ceará im Nordosten Brasiliens ist einer jener Flecken der Erde, die vom Sog der Industrialisierung noch weitgehend verschont geblieben sind. 570 Kilometer lange, fast unberührte Sandstrände, Dünen, Lagunen und Kokoshaine, Wassertemperaturen bei 27 Grad und 300 Sonnentage im Jahr bilden ein Potential, das nun für den internationalen Tourismus erschlossen werden soll.

Im Juli 1995 wurde das Ministerium für Tourismus (Setur) gegründet, mit dem die touristischen Aktivitäten vorangetrieben und Ceará als „Land des Lichts“ vermarktet wird, in den letzten Jahren sind bereits Millionen Dollar umgesetzt worden. „Durch den Tourismus werden Arbeitsplätze geschaffen, und er wirkt aktiv auf die wirtschaftlichen-sozialen Bereiche ein. Ceará hat sich als bedeutendes Reiseziel Brasiliens konsolidiert“, stellt die Tourismusministerin Anya Ribeiro fest. Mit dem Programm „Prodetur“ wurde mit dem Ausbau der nötigen Infrastruktur begonnen. Die ersten Mittel von insgesamt 126 Millionen US-Dollar, die Hälfte davon ein Kredit der Interamerikanischen Entwicklungsbank, fließen seit Beginn des Jahres in den Ausbau des Flughafens und der Straßen. An zunächst zwölf Orten der Westküste wird die sanitäre Infrastruktur verbessert, fünf Millionen sind dabei für Umweltschutzmaßnahmen vorgesehen. Denn die ökologischen Naturschätze sollen langfristig erhalten bleiben: Gebiete wie Jericoacoara im Norden Cearás, das zu den zehn schönsten Stränden der Welt gehört, dürfen nicht mit Hotelkomplexen bebaut werden. Das heißt für die Touristen, die diese Orte kennenlernen wollen, eine Form des Reisens zu erleben, die als Mischung von Abenteuerurlaub und Antistreßtherapie angeboten wird.

Auch die Entstehung von Hotelenklaven, in denen die Touristen – wie in der Karibik – von der verarmten Bevölkerung und der entsprechenden Kriminalität geschützt werden müssen, wird abgelehnt. Die breite Bevölkerung soll vom Tourismus profitieren, es sollen eine Vielzahl von Einkommensmöglichkeiten entstehen, die von der eigenständigen Vermietung von einzelnen Zimmern bis zur Beschäftigung in Hotels erster Kategorie reicht.

Die Regierung des Bundesstaates Ceará hat die Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung zum obersten Ziel erklärt. Keine leichte Aufgabe: Ceará gehört zum Nordosten Brasiliens und zählt zu den ärmsten Regionen der Welt. Periodisch wiederkehrende Dürreperioden und die ungerechte Landverteilung trieben Millionen von Menschen zur Abwanderung in die Metropolen des Südens. Erst 1987, als bei den Wahlen ein Kreis kritischer junger Unternehmer unter Führung von Tasso Jeressati die Macht übernahm, kam die Wende. Die Regierung Tasso ergriff radikale Maßnahmen, um die staatlichen Ausgaben zu reduzieren und das Finanzsystem zu sanieren. Der Beamtenapparat wurde um ein Drittel verringert und durch eine Verbesserung der Steuereinnahmen konnte innerhalb eines Jahres zum ersten Mal ein Surplus erwirtschaftet werden. Der bankrotte Bundesstaat gewann seine nationale und internationale Kreditwürdigkeit zurück.

In zahlreichen Diskussionsforen kommen Vertreter der Regierung, der Wirtschaft, der Universitäten und der Gewerkschaften, aber auch von verschiedenen Bürgerinitiativen zusammen. Damit wird die Entwicklung eines Verwaltungssystems vorangetrieben, das eine möglichst breite Beteiligung der Gesellschaft an Entscheidungsprozessen gewährleisten soll. Auch die Strategie zum Aufbau der touristischen Wirtschaft folgt diesem Schema: In Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und verschiedenen Gruppen wie Fischervereinigungen oder Zusammenschlüssen von Kunsthandwerkern werden vor Ort die notwendigen Schritte diskutiert, meist unter internationaler Beteiligung.

So sorgt sich ein Mitarbeiter der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) um die Versorgung der Fischer von Tatajuba mit Solarstrom, ein Schweizer Ehepaar setzt sich erfolgreich für die Senkung der Kindersterblichkeit an einem anderen Strand ein und eine schwedische Organisation fördert den ökologischen Kaffeeanbau im Gebirge von Baturité. Solche Initiativen werden von der Setur aufgegriffen, um an diesen Orten entsprechende Konzepte zur touristischen Erschließung zu entwickeln.

Vicente Gouveia, einem Fischersohn, der sich für die soziale Verbesserung des Dorfes Prainha einsetzt, ist es letztlich egal, auf welchem Wege die Mittel in die bisher vernachlässigten Gebiete fließen. „Hauptsache, daß endlich konkret etwas geschieht. Es gibt soviel zu tun, und Geld ist dabei nicht das Wichtigste, sondern daß die Politiker, wenn sie unsere Initiativen auch nicht unterstützen, uns doch wenigstens nicht mehr behindern.“ Angela Küster-Ferraro