Endlich raus aus dem Schüsselkorb

■ Werden Bremens Bibliotheken totgespart? Oder steigt bald die neue Zentrale wie Phönix aus der Asche? Ein Interview mit Bibliotheksleiterin Barbara Lison-Ziessow über Sogfunktionen, Sponsorenträume und ein Versprechen an die Viertel-Kinder

taz: In welcher Stadt würden Sie zur Zeit am liebsten arbeiten?

Barbara Lison-Ziessow: Stuttgart. Oder Köln, trotz der Haushaltsprobleme, die es dort gibt. Ich würde aber auch München nennen.

Jetzt müssen Sie natürlich ein bißchen genauer werden.

Köln ist die Bibliothek, die in der Technisierung am weitesten ist. Es gibt dort mehrere Internet-Terminals in der Zentralbibliothek, die Zweigstellen werden entsprechend ausgerüstet. Köln verfolgt grundsätzlich eine Konzeption, die heißt: Wir stellen Inhalt und Information gleich welcher Art hin und helfen bei der Nutzung. Stuttgart gibt diesem ganzen Modernen noch eine literarische Komponente. Stuttgart hat vor einiger Zeit einen futuristischen Lesesalon eröffnet, wo man versucht, das traditionelle Medium Buch mit den neuen Medien auch inhaltlich zu integrieren. München hat eine sehr schöne Zentralbibliothek, die ein sehr gutes Veranstaltungsangebot hat und vor allen Dingen sehr viel für Kinder macht.

Und denken Sie jetzt, das wird in Bremen sowieso alles nicht möglich sein, oder wie gehen Sie mit diesen Zielvorgaben um?

Zunächst einmal werde ich mich weiter für die Zentralbibliothek stark machen. Und es ist meine Aufgabe, da penetrant zu sein.

An welcher Stelle klopfen Sie da auf den Tisch?

Bei den Politikern und PolitikerInnen. Bei Lobbyisten, seien es Ortsamtsleiter oder Beiräte. Ich versuche auch, bei Lobbyisten aus dem Bereich des Gewerbes auf den Tisch zu klopfen. Weil mir klar ist, daß gerade in Bremen ein wichtiges Argument für eine Zentralbibliothek ist, daß Zentralbibliotheken Zentralität in der Stadt schaffen. Daß sie ein Standortfaktor sind für die Belebtheit der Innenstadt. Das läßt sich in Deutschland belegen, ex post sozusagen – immer, wenn irgendwo eine neue tolle Zentralbibliothek entstanden ist, dann zeigt der Zuspruch an Menschen, der dann da an diese Stelle kommt, sehr viele positive Effekte auch für die Umgebung. In England gibt es Untersuchungen über Zentralitätsfaktoren von Zentralbibliotheken in Einkaufszonen dazu. Wir haben jetzt in der Zentralbibliothek rund 140 Besucher pro Stunde. Diese Zahl ist in einem besseren Gebäude problemlos zu verdoppeln. Ich hätte gerne das Geld für eine Untersuchung über die Zug- oder Sogfunktion einer Zentrale.

Schon sind wir bei dem leidigen Thema Geld.

Wenn man das Geld ausgeben will, um Zentralität in der Stadt zu schaffen – sagen wir mal zehn bis 30 Millionen für eine Zentrale – dann ist dieses Geld auch zu finden, da bin ich ganz sicher.

Drei große Gebäude in der Innenstadt sind im Gespräch für eine Zentrale. Kommen diese für Sie überhaupt in Frage?

Was eine Zentralbibliothek braucht, sind möglichst große, durchgehende Flächen. Und eine gute Eingangssituation, daß die Leute aufmerksam werden: Hier ist was Tolles. Je größer und durchgehender die Flächen sind, umso weniger Personal brauche ich, um die Bibliothek dann offen zu halten, desto einfacher ist es, die Sachen aufzustellen, desto schöner ist es auch für die Benutzer. Das Polizeihaus, das Siemens-Hochhaus, das Postamt 5 – alle drei sind attraktiv und besser als der Schüsselkorb mit seinen Etagen, die so groß sind wie eine großbürgerliche Wohnung.

Im Moment erzürnt die BremerInnen die Schließung der Stadtteilbibliotheken. Nehmen Sie die einfach hin, weil sie Personal einsparen müssen, oder denken Sie an ein neues Bibliothekskonzept, an eine Kehrtwende in Richtung Zentralisierung?

Natürlich bereiten mir sämtliche Schließungen Bauchschmerzen. Wir haben uns aber dafür entschieden, Bibliotheken zu erhalten, die gut ereichbar und ausbaufähig sind. Da hat es zum Beispiel Hemelingen getroffen. Die Bibliothek liegt zwar zentral, ist aber zu klein, um eine Zukunft zu haben. Bremen hat ein ungewöhnlich dezentrales System, da wirkt die Aufhebung dieser breiten Streuung natürlich umso heftiger. In anderen Städten gleicher Größenordnung gab es nie dreißig Zweigstellen. Das bringt uns auch sehr schnell zum Runtersparen. In der Deputation klang das auch an: Wir müssen uns in Bremen auf allen Gebieten dem Bundesdurchschnitt anpassen, weil wir die Ausgleichszahlung aus den anderen Ländern kriegen.

Sie sagen: Weniger Standorte, dafür bessere?

Ja, unbedingt. Wir versuchen dann, dreißig Wochenstunden konstant zu öffnen, Samstag aufzumachen und so weiter. Wir können dann auch in der Medienausstattung bessere Akzente setzen.

Diese wird auch teurer. Suchen Sie sich schon Sponsoren, vielleicht Investoren?

Natürlich. Aber ein Sponsor will ja auch seinen Namen verkaufen, und da muß das Ambiente stimmen. Die winken beim Schüsselkorb ab. Investoren würde ich auch ins Haus lassen, gerade für On-line-Dienste. Man kann dann über subventionierte Räume vielleicht wieder subventionierte Preise für die Benutzer erzielen. Über einen Internet-Provider oder ein Internet-Café zum Beispiel.

Bremen hatte in den Siebzigern eines der besten Bibliothekssysteme. Wollen Sie Bremen da wieder hinbringen?

Mein Ehrgeiz geht dahin, daß Bremen für seine Bürgerinnen und Bürger ein gutes Bibliothekssystem vorweisen muß. Als Ergänzung zu den ganzen Tourismus-Anstrengungen.

Versprechen Sie den Viertel-Kindern eine super Kinder- und Jugendbibliothek in der neuen Zentrale als Ersatz?

Kann ich das versprechen? Im Polizeihaus wäre das natürlich möglich. Vielleicht versprechen wir das einfach. Ich hoffe auf die Vehemenz des Ortsbeirats.

Eine letzte Frage: Sind Sie glücklich mit Kultursenatorin Bringfriede Kahrs?

Na ja, mit einer Senatorin kann man nicht glücklich oder unglücklich sein. Man muß mit ihr leben. Wir beide spielen unsere Rollen. Frau Kahrs hatte anfangs nicht viel Ahnung von Bibliotheken. Inzwischen macht sie das ganz gut.

Interview: Silvia Plahl