■ Vorschlag: Ein Hundeleben – die Ausstellung „Vom Tempelgrab zur Hütte“
Der Mumie des großen Penisabis wurde eine Pyramide gebaut. Fidelio von Havanna, der treueste Begleiter von Fidel Castro Ruz, wurde nach seinem Hinscheiden vor einem Plattenspieler, auf dem sich Marschmusik drehte, ein Denkmal errichtet, das sich zu einer wahren Wallfahrtsstätte entwickelt hat. Venedigs's Barcarola, der wegen seines ausdauernden Gekläffs gern als Nebelhorn eingesetzt wurde, hatte seine Hütte immer neben der Kapitänskajüte, damals, im 13. und 14. Jahrhundert. Heute ist er bedauerlicherweise zu einem elenden Schoßhündchen verkommen.
Die Bildhauerin Gabriele Schnitzenbaumer und der Architekt Andreas Brandt haben sich gemeinsam mit der Galerie Aedes einer verdienstvollen Pionierarbeit gewidmet. Die „Kulturgeschichte der Behausungen des Hundes“ führte sie sogar 2000 Jahre in die Zukunft, zu Ernestine, der Außerirdischen, einer überaus kapriziösen Hundedame, die sich vornehmlich von Schaben ernährt. Aber auch von der Existenz des sibirischen Pipelinehundes Kobelowanja wußte man bislang kaum etwas, obwohl sie auch heute noch von immenser Bedeutung ist. Kobelowanja bewacht Erdölbohrtürme und bringt Glück. Kein Kobelowanja, kein Öl. Wen wundert es da noch, da er im Gegensatz zu den Menschen in seiner Umgebung, in äußerst prächtigen und farbenfrohen Datschen wohnt.
Um die Ergebnisse ihrer Nachforschungen anschaulich an einem Ort präsentieren zu können, haben sich Schnitzenbaumer und Brandt auf ihre künstlerischen Fähigkeiten besonnen und Modelle der verschiedenen Hunde und Zeichnungen ihrer Behausungen und Denkmäler angefertigt. In der an das gleichnamige Café angegliederten, weiträumigen Architekturgalerie Aedes kann man sich noch bis zum 11. Februar 97 in das Studium der Hundegeschichte vertiefen. Aus dem Gastronomiebereich dringt dazu Kaffeeduft und verhaltener Menschenlärm herüber, und ab und an strolcht ein lebendiges Hundeexemplar an den Galerieschaufenstern vorbei, allerdings merkwürdig indifferent und ohne Hinterlassen einer Schnuppermarke. Obwohl drinnen das entzückende Modell der Luxushündin Diva Rosi Rosi mit rosa Schnäuzchen aus seinem Schloß herausschaut.
Die Zeichnungen von Andreas Brandt sind sehr präzise und detailgenau, die Hundemodelle von Gabriele Schnitzenbaumer sind ulkig und würdevoll und allesamt sehenswert. Auch die ebenso erstaunlichen wie informativen Texte im Katalog stammen von Gabriele Schnitzenbaumer. Katrin Schings
Galerie Aedes, Savignyplatz, S-Bahnbogen 600, bis 11.2.97, täglich von 9-22 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen