Leberwurst mit Klebstoff

■ Neu im Kino: „Harald“, eine als intergalaktische Komödie gedachte Blähung um den Erdenbesuch eines jungen Mannes vom anderen Stern

„Harald“ steht „irgendwo in einem gedachten Regie-Dreieck aus Monty Python, Jacques Tati und Mario Basler“, sagt Jürgen Egger, der Regisseur und Drehbuchautor von „Harald“, dem „intergalaktischen Herzensbrecher“, wie der Verleih seinen Filmhelden ankündigt. Wir wissen nicht, wie lange Egger an der Konstruktion dieses Dreiecks gesessen hat, möchten aber an dieser Stelle vor dem Betreten warnen. Einfach, um nicht in der gigantischen Leere dieses intergalaktischen Bermuda-Dreiecks zu verschwinden. 92 überwiegend mit dancefloor-tauglichen Rhythmen unterlegte Filmminuten sehen wir dem Treiben des auf Pauschalurlaub auf die Erde gekommenen Außerirdischen Harald (Heinrich Schafmeister) zu, der genauso aussieht wie ein Mensch, angezogen ist wie einer und sich zunehmend benimmt wie einer. Haralds Schwäche und Ausgangsidee des Films: Der junge Mann mit den stocksteifen Bewegungen und der Vorliebe für Leberwurst mit Sekundenkleber kann nicht lügen. Was ihn natürlich, kaum auf Erden gelandet, bald in die soziale Bredouille bringt. Zuerst mit Rica (Martina Gedeck), der Lektorin eines Verlages für Fantasy-Romane. Dann mit deren rabaukigem Ex-Freund Frido (Ingo Naujoks). Schließlich mit Ricas ebenso blonder wie blöder Arbeitskollegin Sylvie und ihrer nymphomanischen Freundin Gudrun.

Regisseur Egger kommt aus dem Dunstkreis von Sönke Wortmann („Kleine Haie“, „Der bewegte Mann“). Deshalb begegnen uns nicht nur allerhand SchauspielerInnen aus der Wortmann-Clique in „Harald“ wieder (und Wortmann selbst in einer Rolle als ADAC-Pannenhelfer). Auch die Gags und die Charaktere wirken wie zweite Aufgüsse bzw. Abgüsse eines Instant-Extrakts aus dem Hause von Erfolgsregisseur Wortmann. Gar nicht mal schlecht die Idee, daß ein emotionales Verwirrspiel nicht durch ein kunstvoll gedrechseltes Lügen- und Desinformationsgeflecht entsteht, sondern durch die Unfähigkeit des Hauptakteurs, etwas anderes als stets das sachlich Zutreffende zu sagen – im höflichsten Ton.

Ein paar originelle Momente gibt's dann tatsächlich, wenn Harald, im Bus unterwegs mit Rica, den Fahrer persönlich lobt: Sie sind wirklich gut gefahren! Und immer wieder lustig: Wenn der Frido mit der Proll-Attitüde auf den soigniert-extraterrestrischen Harald trifft und dessen wüsteste Beschimpfungen an Harald einfach abperlen, weil der auf seinem Planeten halt keine Lektion in deutschen Schimpfwörtern bekommen hat.

Das war's leider schon. Weil dem Film nach einer Stunde die Ideen ausgehen und die Romanze zwischen Harald und Rica so viel Gefühl transportiert wie die Ziehung der Lottozahlen, rutscht der Slapstick vom Beginn, als Harald sich und seine schlaksigen Arme und Beine noch mit wildem Gestolper auf Erden koordinieren muß, ab in die schlichte Belanglosigkeit. Schon lange haben in einem aus so vielen Töpfen geförderten Kinofilm die Kulissen nicht mehr so gewackelt wie in „Harald“. Die Atmosphäre in dem Verlag, in dem Rica arbeitet, wirkt unglaubwürdiger als die Klischees, die entsprechende soap operas verbreiten; dito die allzu üppig mit Star Trek-Gimmicks ausgestattete Wohnung Ricas; und wenn Komparsen durchs Bild gehen oder in Cafés im Hintergrund Kamerafutter abgeben, spürt man peinlich deutlich die Regieanweisung: Jetzt trinkt ihr einfach nur mal Kaffee!

Wer sich dieses sterile Flickwerk, das mit viel Musik seine dramaturgische Unausgegorenheit ausbügeln will, überhaupt angucken soll, ist unklar. Die Filmbewertungsstelle in Wiesbaden hat es jedenfalls getan. „Prädikat: Wertvoll“ hat die Jury in ihrer unerfindlichen Findungskraft befunden. Das hat „Rambo 1“ auch bekommen. Alexander Musik

In Filmstudio und Ufa-Palast