Billigarzt für Obdachlose zu teuer

■ Modellprojekt läuft Anfang Februar aus / Es fehlen 15.000 bis 20.000 Mark pro Jahr / Alle finden die Praxis im Jakobushaus sinnvoll

Wolfgang Sikorski ist Arzt und das in einer der ungewöhnlichsten Praxen der Stadt. Zweimal in der Woche behandelt Sikorski im Jakobushaus obdachlose BremerInnen. Fragt sich nur, wie lange noch. Denn Anfang Februar läuft der Modellversuch Obdachlosenarzt, den das Diakonische Werk mit einer großen Spendenkampagne Ende 1995 gestartet hat, aus. Und noch weiß niemand, woher in Zukunft das Geld kommen wird. Dabei geht es um eine lächerlich kleine Summe: 15.000 bis 20.000 Mark pro Jahr fehlen noch in der Kalkulation, um die Praxis weiterbetreiben zu können. Die sollen, so das Diakonische Werk, vom Gesundheitsamt kommen. Von da habe es schon zu Beginn des Projektes Zusagen gegeben. Mitte Januar soll darüber verhandelt werden. „Es wird da irgendeinen Weg geben“, sagte gestern ein Sprecher der Gesundheitssenatorin. Nur welcher das sein wird, das steht in den Sternen

Immer montags und donnerstags packt Sikorski seinen Arztkoffer und verläßt seine eigentliche Praxis in Richtung Jakobushaus. Rund sechs PatientInnen behandelt er in den drei Stunden, die er im Wohnheim verbringt. „Das darf gar nicht mehr werden“, sagt er. Denn die Behandlung macht nur einen Teil seiner Arbeit aus. Davor stehen viel Überzeugungsarbeit und vertrauensbildende Maßnahmen. Sikorski mußte sich erst durch eine zum Schneiden dicke Schicht von Mißtrauen arbeiten, die viele Obdachlose gegen jede Art von Hilfsdienst entwickelt haben.

„Es hat lange gebraucht, bis ich an die Patienten rangekommen bin. Bei einem sogar acht Monate“, sagt Sikorski. Aber nun laufe der Betrieb regelmäßig, „und die kommen nicht mit Wehwehchen oder mit nem Schnupfen.“ Hautkrankheiten müßten viele behandelt werden, sagt Sikorski, dazu Atemwegserkrankungen der schwereren Art, Herz- Kreislaufprobleme – „eigentlich nicht viel anders als in meiner anderen Praxis.“ Inklusive Kleintierpopulation, denn – Vorurteile abgeben – „Parasitenbefall kommt ganz selten vor.“

Ein sinnvolles Projekt, das wird von allen Seiten bescheinigt. Als das Diakonische Werk Ende 1995 eine Spendenkampagne startete, da kamen Ruck Zuck rund 60.000 Mark zusammen. „Wir haben den Spendern damals aber versprochen, daß diese Art der Finanzierung auf ein Jahr begrenzt bleibt“, erzählt Berthold Reetz, Leiter des Jakobushauses. „Es kann auch nicht angehen, daß dauerhafte Einrichtungen in der Stadt über Spenden bezahlt werden.“ Auf dieser Basis habe damals der Kooperationspartner Hauptgesundheitsamt zugesagt, daß von dort Mittel zur Weiterführung der Praxis kommen würden.

Nur wenig Geld wäre dazu nötig, denn mittlerweile haben das Diakonische Werk und Sikorski eine Geldquelle aufgetan. Nach zähen Verhandlungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung haben sie durchgedrückt, daß die Praxis im Jakobushaus anerkannt wird und die Behandlung der Obdachlosen regulär abgerechnet werden kann. Schließlich sind nicht wenige noch krankenversichert. Rund die Hälfte der 30.000 bis 40.000 Mark Kosten pro Jahr kommen so über die Abrechnungen zusammen. Fehlen nach Adam Riese: zwischen 15.000 und 20.000 Mark.

Genau um diese Summen wird nun gestritten. „Man muß sehen, wie man das Geld aufbringt“, sagte gestern ein Sprecher der Gesundheitssenatorin. „Das Projekt ist auf jeden Fall sinnvoll.“ Nur gebe es das Problem, daß viele verschiedene Stellen mit dem Jakobushaus zu tun hätten: eine Abteilung im Sozialressort, das Gesundheitsressort, das Gesundheitsamt, dessen Haushalt sehr eng sei. „Die sparen auch schon an Briefmarken.“ Das mache die Frage kompliziert, wer denn nun für die Zuschüsse zuständig sei. Aber so dringend sei die Angelegenheit nun auch wieder nicht. Das Projekt sei zwar auf den 1. Februar begrenzt worden, „aber die haben damals so viele Spenden gekriegt, daß das Geld noch bis zum März reicht.“ Und wo es so lange ohne staatliche Zuschüsse reicht, da könnte es auch so weitergehen: „Dann gibt es ja auch noch die Frage, ob man noch mal Spenden reinkriegt.“ J.G.