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Allein unter Warzenschweinen

Kein Promotiongag, sondern Kampf mit der Biologie: Olympiasiegerin Kristine Lilly kickt als einzige Frau in der US-amerikanischen Hallenprofiliga  ■ Von Rainer Hennies

In einem anderen Land als den USA wäre das, was Kristine Lilly gelungen ist, vermutlich kaum denkbar, geschweige denn umsetzbar. Kristine Lilly (25) spielt Profifußball. Bei den Männern. Und zwar bei den Washington Warthogs in der Continental Indoor Soccer League (CISL), der nationalen Hallenliga in den USA. Dort ist sie als einzige Frau eine Ausnahmeerscheinung und damit eine Attraktion.

„Das ist natürlich eine große Herausforderung“, sagt John Dowdy, der Medienchef der CISL, „für die Spielerin genauso wie für die Liga.“ Lilly, so empfindet er es, sei gut akzeptiert und sehr beliebt. „Solch eine Spielerin tut dem Image der Liga gut. Das ist ein rundum positives Ding“, meint Dowdy. Probleme gebe es keine. Warum auch, fragt er.

Die Spielerin, eine studierte Medienwissenschaftlerin übrigens, sieht das ähnlich. Der Rummel um ihre Person sei eine positive Begleiterscheinung neben dem persönlichen Ziel, sich fußballerisch zu verbessern. Zugleich werde die Position des Frauenfußballs als Leistungssport in der Öffentlichkeit weiter gestärkt, meint die Nationalspielerin (121 Länderspiele), die in New York geboren und in Wilton im Bundesstaat Connecticut aufgewachsen ist. Über die University of North Carolina in Chapel Hill, der Kaderschmiede fürs US-Nationalteam, kam sie zu all jenen Meriten, die auch die Frauenauswahl aufzuweisen hat: Weltmeister 1991, kontinentale Titel am laufenden Band, WM-Bronze 1995 und olympisches Gold in diesem Sommer. Kristine Lilly ist eine Mittelfeldspielerin, die meist über links kommt. Die Rückennummer 13 ist ihr Markenzeichen.

Es war die sportliche Herausforderung, die sie zu den Männern führte. Sie kam nicht, weil sie es denen zeigen wollte, sondern um von deren Spielart zu profitieren. Der Nutzen liegt auf der Hand. „Das Spiel in der Halle ist enorm schnell. Dadurch verbessert sich meine mentale und körperliche Reaktionsfähigkeit, und ich bin zu raschen Entscheidungen gezwungen, wenn ich im Ballbesitz bin. Männer sind uns in puncto Kraft und Schnelligkeit biologisch immer einen Schritt voraus“, sagt Lilly. Warum sie sich ausgerechnet vor dem Großereignis Olympia den Warthogs (zu deutsch: Warzenschweine) anschloß? „Ich wollte meinen Stammplatz im Nationalteam zementieren.“ Es ist gelungen: Lilly stand in dem Team, das am 1. August vergangenen Jahres in Athens, Georgia, vor 76.481 Zuschauern im Olympiafinale China mit 2:1 schlug. Es war das erste Mal, das Fußballerinnen bei Olympia waren. Das Endspiel darf als klarer Höhepunkt der jungen Geschichte des Fauenfußballs gelten.

Daß Lillys Wahl auf das Team aus Washington fiel, erscheint fast zwangsweise einsichtig. Trainer dort ist Jim Gabarra. Er war Kapitän des US-Hallennationalteams von 1992 und holte WM-Silber in Hongkong. Seine Ehefrau Carin hat 118 Länderspiele aufzuweisen und ist Auswahlgefährtin von Lilly. Sie hat als erste in der Männerliga gespielt. Carin Gabarra wurde für 1993 nach erfolgreichen Drafts, der üblichen Form der SpielerInnensichtung im US- Sport, ins CISL-Team von Los Angeles United gerufen.

1994 schafften sogar zwei Frauen diesen Sprung. Shannon Presley spielte gemeinsam mit Ehemann Matt für die Houston Hotshots, Colette Cunningham für die Washington Warthogs, von denen sie über Lazio Rom (Frauen) in die japanische Profiliga der Frauen wechselte.

Weil Kristine Lilly im Vorjahr überzeugen konnte und schnell durch ihre geschickte Spielweise zum Publikumsliebling avancierte, hat sie auch für diese Wintersaison einen Vertrag erhalten. Die Spielerin als PR-Gag zu benutzen, dementiert Spielertrainer Jim Gabarra. „Ich stelle nur nach Leistungsaspekten auf. Da gibt es keine Sonderrechte.“ Das einzige Zugeständnis an ihr Geschlecht ist eine gesonderte Kabine.

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