„Das Verdammen wiederholt sich“

■ Thea Bauriedl vom Münchner Institut für Politische Psychoanalyse zum Widerstand gegen die Wehrmachtsausstellung

Im Mai soll die Foto- und Dokumentenschau „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ des Hamburger Instituts für Sozialforschung in der Unteren Rathaushalle gezeigt werden. Das lehnt die Bremer CDU geschlossen ab. Bürgermeister und Rathaus-Hausherr Henning Scherf (SPD) hat jedoch seine Entscheidung nicht widerrufen. Mittlerweile verteilten Veteranenverbände „Maßnahmen gegen die Heer-Ausstellung“, und die BremerInnen geben sich gespalten. Wir sprachen mit Dr. Thea Bauriedl vom Institut für Politische Psychoanalyse in München. Im Institut werden Forschungsarbeiten über die Funktion von Feindbildern, über das Nationalbewußtsein der Deutschen oder auch über Rechts- und Linksradikalismus durchgeführt.

Was macht den Blick auf die „Verbrechen der Wehrmacht“ so schwierig?

Dr. Thea Bauriedl: Das Aufzeigen von dem, was die deutsche Wehrmacht getan hat, ruft Angst hervor. Ein großer Teil der Deutschen bezieht seine positive Identität daraus, daß wir Deutschen nie was Böses oder Falsches tun etcetera. Man lebt immer wieder vom Kontrast zu früheren Kriegsfeinden, zu den sogenannten Untermenschen, zu Menschen, die eine andere Religion haben oder aus anderen Kulturen stammen. Das darauf beruhende Selbstwertgefühl wird angekratzt, wenn man sagt und zeigt: Die Deutschen waren im Krieg auch nicht anders als andere.

Der Widerstand der Veteranen und Kriegswitwen ist da vielleicht noch nachvollziehbar. Unsere bremischen PolitikerInnen jedoch – die sich mit ihrer Ablehnung in eine Rechtfertigungsposition ka-tapultieren – gehören zur Nachkriegsgeneration.

Es wird aus der Verunsicherung heraus in zwei verschiedenen Varianten reagiert: Die einen versuchen ihre Väter – und damit sich selbst – zu rehabilitieren, sie zu schützen und nichts Böses über sie kommen zu lassen. Dahinter steckt der Wunsch oder die Verpflichtung, das Bild der Eltern positiv zu halten. Die anderen verurteilen die Elterngeneration, indem sie diese beschimpfen und nicht genau hinschauen. Man selbst gehört dann automatisch zu den Guten.

Beobachten Sie ausschließlich diese beiden Extremvarianten?

Der Mittelweg oder das einzig Produktive wäre der Versuch, genau hinzusehen, was die früheren Generationen getan haben. Dabei geht es auch darum, die Verdrängungen zu verstehen. Das heißt für mich: Sich auskennen mit den psychischen Vorgängen, die dazu führen, daß ansonsten ganz normale Menschen in bestimmten Situationen Dinge tun, die man ihnen eigentlich nicht zutrauen würde. Verstehen heißt also nicht Einverstanden-Sein, sondern damit umgehen, daß sehr viele Menschen in einen kollektiven Wahn hineingezogen werden können, von dem sie im Nachhinein nichts mehr wissen wollen. Deswegen sind solche Ausstellungen auch so wichtig, daß man merkt, daß man was davon haben kann, wenn man genau hinschaut.

Die Vehemenz, mit der die Ausstellung diskutiert wird, hat ja auch damit zu tun, daß dort Fotos gezeigt werden. Es wurde zwischenzeitlich einmal von der ,Wucht der Bilder' gesprochen. Diesen kann man sich nicht so leicht entziehen.

Die Wirkung der Bilder ist eine besondere, weil der Mensch das, was er sieht, am ehesten glaubt. Man sagt: Ich hab's mit eigenen Augen gesehen, also stimmt es.

Also wurde erst die Echtheit der Fotos in Frage gestellt. Jetzt kritisieren Veteranenverbände, daß die Hintergründe oder auch der Anlaß für die Exekution von Menschen im Bild nicht gezeigt werden. Ein Versuch, die Sache weiterhin im Vagen zu halten?

Man könnte diesen Vorwurf auch so verstehen, daß darin der Wunsch steckt: Bitte versteht doch unsere Situation. Es kommt ja auch verdrängtes Mitgefühl mit den Opfern wieder hoch. Darauf könnte man eingehen und diskutieren.

In den meisten Gesprächen, so sie denn stattfinden, wird aber nicht differenziert. Es geht immer nur um das Pauschalurteil.

Das hat damit zu tun, daß viele Menschen bei etwas sehr Schrecklichem nur noch fragen können: Bin ich gut, oder bin ich böse? Ist die Wehrmacht gut oder böse?

Hier in Bremen hat sich die Ablehnung vor allem dahin verlagert, daß die Ausstellung nicht an repräsentativer Stelle, im Rathaus, gezeigt werden soll. Es hieß: Hier lieber nicht. Irgendwo, von einem privaten Verein veranstaltet, gerne.

Ich denke, es ist ganz wichtig, daß die führenden PolitikerInnen repräsentativ für die von ihnen vertretenen BürgerInnen deutlich sagen: Das gehört jetzt genau an den prominenten Platz. Und zwar nicht, um jemanden an den Pranger zu stellen, sondern um die Diskussion zu beginnen.

Es ist allerdings auch etwas abschreckend, daß in den aufschäumenden Statements immer noch das gleiche Nazi-Vokabular verwendet wird. Die Stuttgarter „Arbeitsgemeinschaft für Kameradenwerke und Traditionsverbände“ schrieb in ihren „Maßnahmen gegen die Heer-Ausstellung“ vom heute noch rühmlichen Abwehren des Bolschewismus und weiter: „Man verdammt nicht auf Dauer ungestraft eine ganze Generation, die sich in ihrer Masse für ihr Land geopfert hat...“

Mir scheint, daß sich hier dieses Verdammen zu wiederholen droht. Damals wurden irgendwelche sogenannte minderwertige Menschen kollektiv entwertet und vernichtet. Heute besteht die Gefahr, daß man diejenigen, die das getan haben, auch wieder nur kollektiv verdammt. Oder auch, daß diejenigen verdammt werden, die darstellen wollen, was geschehen ist. Die Alternative dazu kann wiederum nur ein Gespräch sein.

Dazu müssen auch Kriegsbeteiligte bereit sein.

Wahrscheinlich muß man sie da um ihre Hilfe bitten. Und man muß öffentlich klarmachen, daß es nicht um ein Bloßstellen geht. Ich würde möglichst viele, nicht allzu große Foren einrichten, in denen Zeitzeugen mit Jüngeren sprechen. Gerade die ganz Jungen sind weniger interessiert an der Verurteilung als an Informationen. Jüngere können viel besser fragen als die mittlere Generation, die sich noch deutlicher abgrenzen muß.

Interview: Silvia Plahl