■ Daumenkino
: Beautiful Thing

Hier zeigt das britische Kino vom Stamme der Leighs und Loachs mal wieder, was es kann: Eine schlüssig besetzte Ensemble-Crew wird freundlich realistisch gezeichnet und mit kleinen sardonischen Schärfen versehen, um im Dienst von Mitmenschlichkeit und Common sense unterhaltsam zu sein.

In Hettie McDonalds Regiedebüt „Beautiful Thing“ findet das Leben in der Trabantenstadt Thamesmead, situiert im südöstlichen Suburbia von London, in Terrassenform statt. In eigentlich ganz properen Wohneinheiten leben die Menschen in freundlichen Schächtelchen übereinander. Nur gelegentlich überschneiden sich neben den Grundrissen der Apartments auch die Wünsche ihrer Bewohner. Sandra (Linda Henry) wünscht sich ein eigenes Pub und versüßt sich die Realität als Tresenkraft mit mintfarbenen Ensembles, Pfefferminzfußlotion und einem freakigen Liebhaber. Ihr Sohn Jamie (Glen Berry) wünscht sich eine verständnisvollere Mom. Sein Klassenkamerad Ste (Scott Neal) wünscht sich einen Vater, der ihn nicht ständig verdrischt. Und Leah (Tameka Empson) schließlich, die Dezibelplage der Nachbarschaft, träumt davon, endlich ihrem Idol, Mama Cass von den Mamas und Papas, zu gleichen. Nebenbei führt sie einen verbalen Kleinkrieg mit Jamies Mutter, die sie partout nicht verknusen kann und der sie zudem den jugendlichen Freund neidet. Diese, nicht eben maulfaul, kontert: „Ein Leopard wechselt nie seine Punkte und eine Schlampe nie ihren Slip. Soviel zu dir.“

Der Film basiert auf einem Theaterstück, für das der 24jährige Autor Jonathan Harvey von der britischen Presse einmütig gefeiert wurde. Warum aber hat die Regisseurin Hettie McDonald dieses unorthodox vor sich hinwurstelnde Vorstadtdasein so leutselig und positiv dargestellt? „Beautiful Thing“ sei eine „humane Geschichte über die Macht der Liebe“, so McDonald. Da es sich noch dazu um eine schwule Liebesgeschichte unter Jugendlichen handelt, ist der von McDonald reklamierte „Optimismus“ erst recht vonnöten, muß man folgern. So gesehen stehen der leicht verschüchterten Romanze zwischen Ste und Jamie keine wirklichen Hindernisse im Weg. Tatsächlich bringt Jamies Mutter die Liebesgeschichte überhaupt erst ins Rollen: Nachdem Ste wieder einmal von seinem Vater verprügelt worden ist, wird er von ihr in Jamies Bett einquartiert.

Untermalt vom Flower- Power-Sound der Mamas and Papas ersteht eine Fabel von der märchenhaften Leichtigkeit des homosexuellen Seins: Beim Jungfernbesuch im schwulen Pub sind sogar die zickigsten Fummeltrinen nett, und seine nächste Gay Times wird Jamie wohl auch nicht mehr klauen und unter der Matratze verstecken müssen. gh

„Beautiful Thing“. Regie: Hettie McDonald