Verhandlungen kurz vor dem Kollaps

Israel fordert weiteren Aufschub für die vertraglich bereits vereinbarten Rückzugsphasen. Allein der – bislang erfolglose – Druck der USA erhält die Verhandlungen noch am Leben  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Wieder mußte die Unterzeichnung des Abkommens zu Hebron wegen der Meinungsverschiedenheiten zwischen Israelis und Palästinensern aufgeschoben werden. Streitpunkt ist der weitere Rückzug der israelischen Armee aus den ländlichen Zonen des Westjordanlandes, wie sie im Osloer Abkommen vereinbart worden war. Gegenwärtig sind noch mehr als 90 Prozent (Zone B und C) unter israelischer Besatzung. Vertragsgemäß müßte der gestaffelte Teilrückzug und die Übergabe der nicht von Israel besiedelten Gebiete oder Militärzonen im September dieses Jahres abgeschlossen sein.

Die Netanjahu-Regierung hat allerdings auch diesbezüglich bisher nichts getan, um Israels vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Wie bei drei Dutzend anderen „Restbeständen“ unerfüllter und überfälliger Punkte der bestehenden Abkommen sucht die palästinensische Seite eine Zusicherung über den weiteren Abzug, die von der US-Regierung garantiert werden soll.

Netanjahu möchte die nächsten Rückzugsphasen hinausschieben und erst in zwei Jahren abschließen. Zu diesem Zeitpunkt sollten die entscheidenden Endphaseverhandlungen zum Abschluß gebracht worden sein, deren Beginn im vergangenen Jahr fällig war, aber ebenfalls auf Wunsch Israels verschoben wurde. In Jerusalem hieß es dazu, daß Netanjahu eine Abgabe von Territorien im Westjordanland an die Palästinenser vom Verlauf der weiteren Entwicklung und den Endphaseverhandlungen abhängig machen möchte. Nach einer anderen israelischen Version soll Netanjahu überhaupt nicht bereit sein, sich auf irgendeinen Zeitplan festlegen zu lassen.

Die Palästinenser sprechen von Vertragsbruch und fühlen sich betrogen. Jassir Arafat erklärte, er bestehe auf den in den Osloer Verträgen festgelegten Terminen.

Dennis Ross, der amerikanische Sonderbeauftragte für den Friedensprozeß, sucht dringend nach einer „Kompromißlösung“. Der Vorschlag lautet, die umstrittenen Rückzugstermine mit einem amerikanischen Schreiben zu umgehen. Der Brief, der als Zusatz des „Hebroner“ Abkommens gedacht ist, legt einen neuen „Zeitrahmen“ fest. Washington kommt dabei den israelischen Wünschen entgegen und will einen einjährigen Aufschub festlegen. Dennis Ross droht immer neu, nach Washington zurückzukehren, wenn die neuen Abkommen nicht „sofort“ unterzeichnet werden. Alle Seiten in den Verhandlungen sind sich wohl bewußt, daß ein totaler Zusammenbruch droht, wenn der entscheidende Verhandlungspartner das Feld jetzt räumt.