„Es ist mir in den Schoß gefallen“

■ Im Gespräch: Katja Ebstein – Heine-Interpretin, Ex-Schlagerdiva und Schauspielerin

eute und morgen tritt Katja Ebstein um 20 Uhr im Vegesacker KITO mit ihrem neuen Heinrich Heine-Programm „Schlage die Trommel und fürchte Dich nicht“ auf. Seit den 70er Jahren beschäftigt sich die Sängerin mit Heine, ihrer „Galionsfigur“. Popularität gewann die 52jährige allerdings mit seichterem Liedgut: Wer erinnert sich nicht an ihren Evergreen „Wunder gibt es immer wieder“ (3. Preis beim Schlagerfestival Grand Prix d'Eurovision in Amsterdam 1970) oder, zehn Jahre später, an „Theater, Theater“?

Seit 1979 ist Katja Ebstein mit dem Regisseur und Produzenten Klaus Überall, 72, verheiratet, der u.a. die TV-Serie „Unterwegs in der DDR“ – Mitwirkung: Katja Ebstein – produzierte. Die Ausstrahlung der Serie führte zum Eklat: Die Springer-Presse brandmarkte sie für ihr Engagement für Willy Brandts Ostverträge als Mielke-Liebling, und auch die DDR-Oberen fühlten sich durch die Serie mißverstanden.

Heute kann sich die Berlinerin mit Wohnsitz in Bayern auch Minderheitenprogramme leisten. Ein Privileg, das sie zu schätzen weiß.

taz: Ihre Kollegin Gitte Haenning hat Sie als „Intellektuelle der Branche“ bezeichnet ...

Katja Ebstein: Ich find' das normal, daß man denkt. Oder nachdenkt. Bei mir stimmen Bauch und Kopf ziemlich gut überein. Wenn nicht sogar der Bauch manchmal überwiegt, weil die Emotion mich ziemlich vorantreibt. Das ist ein großes Plus für die Bühne, für die Übertragungsfähigkeit und den Ausdruck. Und so geht's mir aber auch, wenn ich im Politischen bin. Ich bin überall derselbe Mensch.

...ob es sich um Heine dreht oder einen Schlagerwettbewerb ...

Da bin ich belastet. Da ist ein Stück von mir dabei, aber ein kleines Stück.

Hat Sie das unterfordert?

Fünf Jahre lang hab' ich gedacht: Nee, das ist kein Job für mich, weil das so ganz gegen mein eigenes Ding ist, gegen mein Sein. Wissen Sie, mit mir hat das alles nichts zu tun! Es ist mir in den Schoß gefallen! Trotzdem hab' ich dann angefangen, diese Menschen gern zu haben, die da freiwillig kommen.

... die Zuschauer ...

Ja. Die Masse Mensch war für mich eher was Bedrückendes: Lieber ganz grelle Scheinwerfer und nix sehen – dann konnte ich gut arbeiten. Heute ist es genau umgekehrt. Heute möchte ich sie sehen, möchte Reaktionen haben und ein Verständnis herstellen zwischen dem, was ich transportiere, und den Menschen. Das gibt mir dann einen Sinn.

Aus meinen ganzen LPs könnte man eine Retrospektive der 70er Jahre machen. Wir haben die Hippie-Zeit mitgemacht, wir waren mehr auf der Straße als sonstwo in Berlin, auch vor 1968 schon. All das kommt darin vor.

Schlager sind ja jetzt wieder en vogue.

Keine Frage, aber was hat das mit mir zu tun? Ich hab es gerne gemacht, als ich sah, ich konnte meine Nischen finden auf den Langspielplatten. So entstand auch Heine. Hätte ich mit 14 gedacht, daß ich mal meinen Lieblingsdichter singe? Der Grand Prix ist der Boden, auf dem ich mir das jetzt leisten kann und leisten konnte. Ich konnte den Heine nur machen, wenn ich die Popmusik weiter erfolgreich durchzog.

Sind Sie von Ihrer Familie im Singen unterstützt worden?

Wir sind eher ein armer Haushalt gewesen. Es rührt mich im Nachhinein, daß man Eltern hat, die ihre Chancen nie ausleben konnten – wir kommen aus Schlesien, was ich nicht mehr kenne, auf der Flucht geworfen, sozusagen. Gefördert worden bin ich nur auf gestalterische Kunst und nicht auf Musik: Jeder war musikalisch. Das war nüscht Besonderes.

Schon 1974 haben Sie in der DDR Konzerte gegeben.

Da hockte ich zwischen allen Stühlen und habe mich gewundert, warum ich von Springer so massiv angegangen wurde. Wenn ich nun mal für die Ost-Verträge bin und den Willy deswegen beim Wahlkampf unterstütze ... Der hat zu uns gesagt: Wenn ihr als Künstler in der Lage seid, über diese Grenze zu gehen, dann müßt ihr das tun, damit die sich nicht so isoliert fühlen. Das habe ich dann gemacht und bin ständig von Springer angepinkelt worden, als West-Berliner ...

Viel Staub wurde auch aufgewirbelt, als seinerzeit die Vorabendserie „Unterwegs in der DDR“ – für die ARD produziert, aber auch zur besten Sendezeit im DDR-Fernsehen ausgestrahlt – zu sehen war. Warum?

Die Serie war ja für uns gedacht, für hiesige Zuschauer, damit die mal wissen, daß da nicht nur Sack und Asche ist, sondern ein schönes Land. Wir haben da nicht nur neben den Müllhalden gedreht. Wir sind mit dem Fahrrad kleingebietig durch, moderierend, und dann wurde gemeinsame deutsche Geschichte kabarettistisch transportiert. Da hat sich auch die DDR dran gerieben: So sehen wir unsere Geschichte eigentlich nicht.

Beim Drehen sind Sie natürlich beobachtet worden.

Logisch. Jeden Tag war da Beratung. Wir haben immer gefragt: Was beratet ihr eigentlich täglich. Hier passiert doch nüscht! Die haben auch unser Büro abgehört, und da war der BND plötzlich auch interessiert.

Sie sagen, Sie sind von Springer angepinkelt worden. Gehört dazu auch der Vorwurf, Sie hätten in Wandlitz, der isolierten Prominentensiedlung der DDR bei Berlin, Privatkonzerte gegeben?

Das war eine massive Diskreditierung. Ich kenn' den Mann ja gar nicht. Ich hab ihm einmal die Hand gegeben bei der Verabschiedung von dem Kongreß für die atomwaffenfreie Zone in Europa ...

Wem?

... dem Honecker. Die wollten mich doch niedermachen, gründlich! Es ist ihnen aber nicht richtig gelungen, weil ich jedes Mal gesagt habe: Es ist doch mein eigener Parteitag! Entweder ich bin die Person, die ich darstelle, mit all ihren Engagements, oder ich bin eine hohle Nuß!

Sie nennen sich ein „Sonntagskind“. Was heißt das?

Ich habe, glaube ich, tausend Schutzengel. Sonntag im Sinne von beschützt sein. Ich hatte massive Krankheiten, die ich gut überstanden habe, außer wenn man sagt: Ich bin ein Spinner. Ein Spinner bin ich schon! Aber einer, der meint, daß man eine gewisse Spinnerei braucht, damit man vorwärtsdenkt. Sonst haste ja gar keine Utopien mehr.

Fragen: Alexander Musik