piwik no script img

■ VorschlagWalter Schmidinger mit seinem Karl-Valentin-Abend im DT

Er braucht nicht viel: Tisch und Stuhl und ein Glas Wasser. Dann sitzt er da, salopp in Schwarz gekleidet, das das große Gesicht noch besser zur Geltung kommen läßt. Das Gesicht, das alsbald forscher Grantler oder schelmischer Kindskopf ist. Walter Schmidinger liest, und sein Gesicht erzählt in tausend mimischen Varianten.

Wie Valentin selbst treten auch die Figuren seiner Szenen ständig auf der Stelle: kleinbürgerliche Helden, die bei dem Versuch, eine undurchschaubar gewordene Welt zu verstehen, gleich mehrfach um die Ecke herum denken. Das Resultat ist ein verdrehter Blick auf die Welt, in der die Sprache Pirouetten dreht. Für den Komödianten wie den dramatischen Helden Schmidinger sind diese Texte und Szenen ein gefundenes Fressen. Seine Singsang-Stimme bekommt einen Hauch Kunstbayerisch, und damit taucht der Exil-Österreicher ein in die Valentin-Welt. Den großen Meister versucht er gar nicht erst zu kopieren. Unmöglich und auch unnötig, denn Walter Schmidinger findet seinen ganz eigenen Zugang. Furios und mit maßloser Übertreibung gerät er spielend aus dem Häuschen. Kindlich helle Freude steht ihm nun ins Gesicht geschrieben, und der Schalk sitzt ihm ganz jovial im Nacken. Die Augen blitzen, der Mund steht weit auf, und jetzt agiert er mit großen Gesten und grellen Grimassen. Krachende Wirtshausunterhaltung. Aber er beläßt es nicht bei diesen Stimmungskanonen-Nummern. Immer stiller wird er, immer gebrochener die Stimme und düsterer die Atmosphäre. Und dann hat Walter Schmidinger wieder diese Aura des glücklosen, tragischen Verlierers, einem allerdings, der seine Wunden nicht verheimlicht. Nun zählt jede noch so kleine Geste und rührt, weil sie so wahrhaftig ist und aus dem polternden Mann ein zartes, gebrechliches Wesen werden läßt. Ein hilfloses Ding, vom Leben und den Zeiten überfordert und ihnen schutzlos ausgeliefert. Immer wieder ist Schmidinger in seiner Laufbahn in die Rolle der Einsamen und Verlorenen geschlüpft, und meist waren es seine größten Erfolge. Auch an Valentin interessiert ihn mehr die Katastrophe hinter dem Scherz, der an den komischen Unglücksfällen hängt. Dabei ist Schmidinger viel zu selten in Berlin und momentan nur in den „Geschichten aus dem Wienerwald“ am Deutschen Theater zu erleben. Sein Valentin-Abend mit dem Pianisten Peter Fischer gastiert dort vorläufig nur noch einmal. Ein kleiner Abend, gemessen am Aufwand, und ein ganz großer, was die Wirkung betrifft. Axel Schock

Heute, 20 Uhr, Deutsches Theater, Schumannstraße 13a, Mitte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen