Anschlag in israelischem Armenviertel

Zwei Sprengsätze in Tel Aviv lösen bei israelischen Regierungsvertretern bekannte Reflexe aus: Die Täter werden sofort unter Arabern vermutet. Doch die Indizien dafür sind dürftig  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Ein Bombenanschlag in der Innenstadt von Tel Aviv droht den Nahost-Friedensprozeß weiter zu belasten – dabei ist ein terroristischer Hintergrund nicht besonders wahrscheinlich: Am Donnerstag abend detonierten in einem ärmlichen Stadtteil zwei kleinere, in Mülleimern neben einem Pornokino deponierte Sprengladungen. 13 Personen wurden verletzt, die meisten leicht.

Nach Angaben der israelischen Sicherheit waren die Sprengsätze eher unprofessionell zusammengebastelt und mit Nägeln in kurze Rohre gepackt worden. Unter den in das städtische Krankenhaus eingelieferten Verwundeten waren zwei Polizisten und zwei ausländische Arbeiter. Von letzteren leben besonders viele in dem im Süden der Stadt gelegenen Viertel: Es ist für billige Unterkunftsmöglichkeiten bekannt.

Obwohl sich bis gestern keine Organisation zu dem Anschlag bekannte, sprachen Polizeikommandanten und Geheimdienstchefs sofort von einem „Terrorakt“. Ebenso äußerten sich der zum Tatort geeilte Bürgermeister Roni Milo und der Minister für innere Sicherheit Avigdor Kalani.

Dennoch untersucht die Polizei auch die Möglichkeit eines kriminellen Hintergrunds. Sicherheitsexperten meinen, daß es sich bei dem Anschlag um keine „professionelle Sabotagearbeit“ handelt – ein Hinweis, der gegen die These spricht, hinter der Tat stecke eine palästinensische Organisation. Dennoch wurden nach den Explosionen einige in der Nähe beschäftigte arabische Arbeiter verhaftet, wegen mangelnder Verdachtsmomente jedoch bald wieder freigelassen.

Vertreter der palästinensischen Selbstverwaltung drückten ihr Bedauern über den Anschlag aus. Sie hoffen, daß die Verhandlungen mit Israel über die Zukunft der Stadt Hebron und weitere Schritten zur Erfüllung der israelisch-palästinensischen Abkommen dadurch nicht verzögert werden. Israelische und palästinensische Vertreter lobten nach dem Anschlag die bestehende „gute und enge Zusammenarbeit“ der Sicherheitsorgane beider Seiten.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu drohte mit ernsten Konsequenzen für den Fall, daß die Attentäter aus dem Gebiet der palästinensischen Selbstverwaltung gekommen seien. Er unterbrach seine Gespräche mit dem US-amerikanischen Sonderbeauftragten Dennis Ross im Verteidigungsministerium in Tel Aviv, um die Opfer des Attentats im benachbarten Krankenhaus zu besuchen. Aufsehen erregte der Zeitpunkt der Explosion: zu Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan.