Einreise nur mit einem Botschaftsstempel

■ Bundesregierung will im Handstreich eine Visumspflicht für türkische Kinder einführen. Verbände befürchten Erschwerung der Familienzusammenführung

Berlin (taz) – Die Türen zum Einwanderungsland Deutschland werden noch fester geschlossen: Von nächster Woche an sollen türkische Kinder nur noch mit einem Visum einreisen dürfen. So will es Innenminister Manfred Kanther, der eine neue Durchführungsverordnung zum Ausländergesetz durchs Kabinett peitscht. Obwohl die zuständigen Ministerien diese Regelung noch nicht abgesegnet haben und der Bundesrat zustimmen muß, hat die deutsche Botschaft in Ankara schon deren Inkrafttreten zum 15. Januar verkündet. Die Ausländerbeauftragte des Bundes, Schmalz-Jacobsen, die gegen die Neuregelung „integrationspolitische Bedenken“ erhebt, zeigte sich darüber „sehr verwirrt“.

Dank einer Ausnahmeregelung brauchten Kinder unter 16 Jahren aus der Türkei bisher weder eine Aufenthaltserlaubnis noch ein Visum. Das ermöglichte unbürokratische Besuche bei Eltern und Verwandten. Und machte eine lautlose Einwanderung möglich, die oftmals nicht problemlos war: Kinder wurden – oft gegen ihren Willen – zu Angehörigen nach Deutschland geschickt, um zur Schule zu gehen, im Familienbetrieb mitzuarbeiten oder auch, um verheiratet zu werden. Wenn sie dann mit 16 Jahren eine Aufenthaltserlaubnis benötigten, drohte ihnen meist die Abschiebung.

Die bisherige Visumsfreiheit, urteilt Berlins Ausländerbeauftragte Barbara John, „wurde häufig auf dem Rücken der Kinder mißbraucht. Es war eine Quälerei für sie.“ Auch beim Türkischen Bund Berlin-Brandenburg beobachtete man mit „gemischten Gefühlen“, daß die bisherige Regelung oft ein „unverantwortliches Verhalten von Eltern zu Lasten ihrer Kinder“ gefördert hat. Die neue Regelung jedoch, so der Türkische Bund, werde die Familienzusammenführung erschweren: Bis zu ihrem 16. Lebensjahr haben ausländische Kinder einen Anspruch auf Familienzusammenführung. Künftig müssen sie den Antrag auf Familienzusammenführung von der Türkei aus stellen, und dort kann die deutsche Botschaft ihr Gesuch so lange verzögern, bis sie das 16. Lebensjahr überschritten und den Anspruch verloren haben. Für türkische Kinder, bei denen nur ein Elternteil in Deutschland lebt oder die in der Heimat ihre Angehörigen verloren haben, wird der Zuzug zu nichtehelichen Vätern und Verwandten künftig nahezu unmöglich. Vera Gaserow