Spielen am Strand schafft Leukämie in Frankreich

■ Nahe der WAA La Hague erkranken Kinder dreimal öfter an Krebs als normal

Shetland (taz) – Die Gefahr, schon im Kindesalter an Blutkrebs zu erkranken, ist im Umkreis von Wiederaufbereitungsanlagen besonders hoch. Die beiden französischen Mediziner Dominique Pobel und Jean-François Viel schreiben im neuesten British Medical Journal, es sei ihnen gelungen, „überzeugende Belege“ für einen „kausalen Zusammenhang“ zwischen der Entwicklung der Krankheit Leukämie schon während der Kindheit und Radioaktivität in der Umgebung von Wiederaufbereitungsanlagen zu führen.

Kinder, die regelmäßig an den Stränden in der Nähe der WAA La Hague spielen, seien einem dreifach erhöhten Risiko, Leukämie zu entwickeln, ausgesetzt. Die beiden Wissenschaftler untersuchten während ihrer drei Jahre dauernden Forschungstätigkeit 27 Fälle von Leukämie aus den Jahren 1978 bis 1993. Alle Krankheitsfälle ereigneten sich in einem Umkreis von 35 Kilometern um die Anlage von La Hague. Ein zusätzliches Risiko bestehe, wenn regelmäßig Fische oder Muscheln aus der Umgebung der WAA verzehrt würden. Zur Kontrolle wurden die Lebensgewohnheiten der Kinder mit denen von 192 gesunden Altersgenossen verglichen.

Die Ergebnisse der neuen Studie weisen über La Hague hinaus. Infolge der Ähnlichkeit der Anlagen in Frankreich mit den Wiederaufarbeitungsanlagen im britischen Sellafield und im schottischen Dounraey, so schreiben Pobel und Viel, können die Ergebnisse auch übertragen werden. Sie würden Licht auf das Dunkel der zahlreichen Dounraeyer Leukämiefälle werfen, so die beiden Mediziner. Aus einer neuen britischen Regierungsstudie geht hervor, daß sich beispielsweise die radioaktive Verseuchung der Luft rund um Dounraey mit Strontium 90 während der vergangenen zehn Jahre verhundertfacht hat. Das Spaltprodukt Strontium 90 steht im Verdacht, Krebs zu verursachen sowie unser Erbmaterial zu schädigen. Sowohl in La Hague als auch in Sellafield und Dounraey wird deutscher Atommüll gelagert und zum Teil wiederaufgearbeitet.

Greenpeace sieht in der Studie über La Hague auch neue Hinweise, daß die Leukämieerkrankungen in der Nähe des AKW Krümmel an der Elbe auf die Emissionen des Atommeilers zurückgeführt werden können. Greenpeace-Atomexperte Helmut Hirsch nannte die französische Studie absolut seriös.

Obwohl andere französische Wissenschaftler noch Zweifel an der Qualität der Untersuchung anmeldeten, sah sich auch die Regierung in Paris zu einer Überprüfung veranlaßt. Umweltministerin Corinne Lepage kündigte neue Recherchen an. Hans-Jürgen Marter