Letzter Wille über den Tod hinaus

■ Organentnahme nur mit Einverständnis des Spenders, fordert alternativer Gesetzentwurf von SPD und Grünen

Organentnahmen dürfen nur vorgenommen werden, wenn der Spender zu Lebzeiten ausdrücklich seine Zustimmung gegeben hat. Dies sieht ein gemeinsamer Gesetzentwurf vor, den die Bundestagsabgeordneten Monika Knoche von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD-Abgeordnete Wolfgang Wordag gestern in Bonn vorlegten. Sie stellen sich damit gegen den Entwurf, den Gesundheitsminister Horst Seehofer geschrieben hatte und der bislang von den meisten Abgeordneten aus CDU/CSU, SPD und FDP getragen wird. Seehofers Konzept sieht eine „erweiterte Zustimmungslösung“ vor. Danach können auch Angehörige des Spenders einer Organentnahme zustimmen.

Die rund 140 Abgeordneten der SPD und der Grünen, die jetzt hinter der gestern vorgestellten Alternative stehen, lehnen nicht nur die erweiterte Zustimmung, sondern auch das von Seehofer unterstützte Hirntodkonzept ab. In Seehofers Gesetzentwurf wird der „Hirntod“ für identisch mit dem Tod eines Menschen erklärt. Statt dessen müsse bei einem Versagen der Hirnfunktionen von einem „unwiderruflichen Sterbeprozeß“ gesprochen werden, meinten Knoche und Wordag.

Gleichwohl soll der von zwei Ärzten festgestellte Hirntod als Voraussetzung für eine Organentnahme gelten. Dies bedeute aber, daß für die Betroffenen weiterhin das Recht auf körperliche Unversehrtheit gelte, meinten die beiden Politiker. Nur die persönliche Zustimmung rechtfertige einen Eingriff zur Organentnahme.

Die Spaltung in der Frage, wann eine Organentnahme zulässig sein soll, geht quer durch die im Bundestag vertretenden Parteien. Selbst Vertreter der Regierungskoaliton tragen den Seehofer-Entwurf nicht mit. Etwa 40 Mitglieder aus CDU/ CSU und FDP, darunter auch Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP), lehnen das Seehofersche Hirntodkonzept ebenfalls ab. Wie im neuen Entwurf vorgesehen, treten sie für eine enge Zustimmungslösung ein. Sollten noch mehr Abgeordnete dieser Meinung folgen, könnte das Konzept des Gesundheitsministers die Mehrheit im Parlament verlieren.

Monika Knoche gibt sich zuversichtlich. „Es ist noch nicht an der Zeit, Köpfe zu zählen. Wir bieten jetzt den Abgeordneten eine Alternative“, meinte Knoche gegenüber der taz. Vor zwei Jahren hätten nur wenige das Hirntodkonzept abgelehnt, „jetzt ist es immerhin schon ein Drittel des Parlaments“.

Gesundheitsminister Seehofer dagegen warnte vor „überzogenen strengen Maßnahmen“. Er befürchtet, daß der Organmangel sich noch weiter verschärfen werde, wenn die Möglichkeiten der Organentnahme weiter eingeschränkt werden. Bereits seit Jahren erhält Deutschland über die internationale Organverteilungszentrale im niederländischen Leiden mehr Organe aus den Nachbarländern, als es selbst zur Verfügung stellt.

Den Vorwurf, daß der Alternativentwurf gegen das in der Verfassung festgelegte Tötungsverbot verstößt, da ja schließlich die Organentnahme zum Tod des „hirntoten Spenders“ führt, weist die Gesundheitspolitikerin Knoche zurück. Mit der Einwilligung habe der Spender ja ganz im Gegenteil zugestimmt, daß er nur für die Organentnahme noch länger an den lebenserhaltenden Maschinen hängenbleibt. Sie ist zuversichtlich, daß diese Regelung auch verfassungskonform ist.

Über das Transplantationsgesetz wird voraussichtlich bis Ende März im Bundestag entschieden. Der übliche Fraktionszwang soll aufgehoben werden. Zuvor werden aber am Mittwoch im Rechtsausschuß noch einmal Experten gehört. Wolfgang Löhr