Ein Thema: Sex

■ Kampnagel: Nigel Charnock spielt in „Hell Bent“ die schwule Verzweiflung

Ein schmucker Levis-Boy, von Gott, der Welt und seinem Geliebten verlassen, verwandelt sich in eine Sex-Gospels singende Plüsch-und-Glamour-Tunte, diese sich wiederum in den gemeinen „Verzweifelten Schwulen“, der in diesem Fall spricht, als sei sein Kehlkopf eine Klapperrassel, um nur wenige Minuten später als lüsterner Heiland ein Holzkreuz zu ficken. Nigel Charnock erzählt in Hell Bent in diesen und diversen anderen Verkleidungen eine Geschichte über Einsamkeit, die tatsächlich eine Geschichte alleine über Sex ist.

Zwischen Musical-Parodien, schwuler Liebestragödie voll grollender Enttäuschung und aufgeblasenen Ersatzgefühlen und Ausflügen ins Publikum läßt Charnock keine Gelegenheit aus, sich wortreich und geschwindigkeitssüchtig über den Verkehr auszulassen. Von Wortspielen über „das Kommen“ über analphilosophische Stakkato-Rhetorik mit dem banalen Resümee, daß es auch in der Politik und der Wirtschaft nur um Sex geht, bis hin zu Popsongweisheiten reicht sein wild durcheinandergeworfenes Repertoire an Variationen über ein Thema.

Ein Ebenbild mit Ken-Perücke aus Plastik wird, nachdem an ihm einige Beispiele hypererregter Small-Talk-Verlegenheit durchgekaspert wurden, schließlich verführt, aber dies ist, wie alles andere auch, nur Ersatz-Befriedigung für die Predigt von der wahren, großen, echten Liebe, die aber auch wieder nur im Sex-Kanal existiert. Das besitzt zwar alles gelegentlich Komik, aber hin und zurück ergibt es doch nicht mehr als Otto-Albernheiten aus der schwulen Perspektive in Warp 8. Till Briegleb

Noch bis 25.3.