Mit Seh-Fehler

■ Für Pizzicato Five ist der Absturz der Postmoderne noch Zukunftsmusik

Es ist viel leerer Chic darin, jetzt Bands aus Japan prima zu finden. In jedem Topf – von Mädchen-Schlager bis zum gewaltigen Rock – finden sich neuerdings japanische Losnummern, die viele Fans gewinnen, obwohl nicht immer ganz klar ist, was außer einer Exotik-Sucht den Applaus qualifiziert. Mit Pizzicato Five ist das ein wenig anders. Zwar ladendieben auch sie amerikanische und britische Hypes in ihren Warenkorb (u.a.: 6/7ts-Soul, New Wave, Model-Pop, Film-Schmonzes, Acid-Jazz und Existentialisten-Posing). Aber die ironische, opernhafte Collage auf der Grundlage einer Twen-Philosophie des Alt-werden-und-trotzdem-billigen-Spaß-Habens besitzt die ausgebildete Lust am Fortzitieren der Popgeschichte, mit der man Popgeschichte macht.

Eine Gravitationsbeziehung wie zwischen Andy Warhol und Velvet Underground transformiert sich auf MADE in USA in ein Rotationsprinzip. Ständig wechselnde Planeten (Musikstile, Mode-, Literatur- und Filmzitate, Idole und Idyllen) geraten in die Anziehungskraft der Band, dienen kurz zur Beschleunigung von frohen Stücken, und verlassen dann wieder die Umlaufbahn, um für anderes Platz zu machen. Der Absturz der Postmoderne ist hier noch ein Zukunftsphänomen. Das macht das Ganze etwas niedlich. Denn Kunst- und Kitschanspruch gemeinsam als etwas Seriöses zu sehen, wird in Europa nur geduldet, wenn es aus Weißen Flecken hervortritt oder ganz schamlos ist. Beides scheint uns aus der Ferne so – selbst, wenn es nicht stimmt –, und damit erkennen wir durch unseren exotischen Seh-Fehler eine Klasse-Band aus fröhlichen Leuten. Till Briegleb

Dienstag, 21.3., Mojo, 21 Uhr